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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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wie würde er wohl reagieren, wenn du einen
Fremden zum Abendessen mitbringen würdest?«
    Der Junge war auf
einmal mißtrauisch. »Ich glaube, das würde drauf
ankommen.«
    »Worauf?«
    »So wie du
redest, hast du irgendein Interesse an Capito und seinem
Land.«
    »So ist
es.«
    »Und auf wessen
Seite stehst du?« - »Ich bin für Sextus und gegen
Capito.« 
    »Dann wäre
mein Vater, glaube ich, erfreut, dich zu sehen.«
    »Gut. Ist es
noch weit bis zu eurem Haus?«
    »Siehst du die
Rauchfahne da rechts, genau über den Bäumen? Das ist
es.«
    »Das ist ja ganz
nah. Und wo liegt Capitos Haus?«
    »Noch ein
Stück weiter, auf der anderen Seite der Hauptstraße, zu
deiner Linken. Nach der nächsten Biegung kann man gleich
für einen Moment das Dach sehen.«
    »Sehr gut. Tu
mir einen Gefallen: Wenn du nach Hause kommst, erzähl deinem
Vater, daß ein Mann aus Rom ihn heute abend zu sprechen
wünscht. Sag ihm, ich bin ein Freund von Sextus Roscius. Wenn
er mich an seinen Tisch laden würde, wäre ich ihm
überaus dankbar. Wenn ich unter eurem Dach schlafen
könnte, wäre ich ihm zu doppeltem Dank verpflichtet; ein
Platz in der Scheune würde mir völlig reichen. Wäre
er beleidigt, wenn ich ihm Geld anbieten
würde?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Dann laß
ich es lieber. Hier trennen sich unsere Wege für eine Weile.
«Als wir die Wegbiegung hinter uns hatten, konnte ich durch
die Bäume im letzten Sonnenlicht in der Ferne ein rotes
Ziegeldach erkennen.
    »Wo willst du
hin?«
    »Ich werde mal
kurz bei eurem neuen Nachbarn vorbeischauen. Es ist wahrscheinlich
zwecklos, aber ich möchte zumindest einen Blick auf das Haus
und vielleicht auch auf seinen Besitzer werfen.« Ich winkte
dem Jungen zu und drängte Vespa dann zu einem
gleichmäßigen Trab.
    Das Haus, in dem
Sextus Roscius der Jüngere geboren und groß geworden war
und über das er in Abwesenheit seines Vaters geherrscht hatte,
war das großartige Beispiel einer idealen Landvilla, ein
imposantes, zweistöckiges Gebäude mit einem roten
Lehmdach, umgeben von einer Ansammlung von Schuppen und Scheunen.
Im schwächer werdenden Licht hörte ich das Läuten
von Kuhglocken und das Blöken von Schafen. Die Herden wurden
heimgetrieben. Arbeiter kamen durch Weinlauben von den Feldern
getrottet; eine lange Reihe von Sensen schien über ein Meer
von Blättern und Ranken zu treiben. Ihre scharfen Klingen
fingen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ein und
blitzten kalt und blutfarben herüber.
    Das Haupthaus war
Gegenstand umfangreicher Renovierungsarbeiten. Ein Labyrinth von
Stegen und Netzen verdeckte die Fassade, und links und rechts des
Hauses wurden symmetrische Seitenflügel angebaut. Die Anbauten
befanden sich noch in halbfertigem Zustand und wirkten wie blanke
Gerippe. Durch den linken Seitenflügel konnte ich Ansätze
einer Gartenanlage erkennen, in der ein rotgesichtiger Kampfhahn
von einem Mann ungeduldig zwischen den Erdarbeiten und Spalieren
auf und ab schritt und einer Gruppe von Sklaven Befehle zubellte.
Die Sklaven stützten sich auf ihre Spaten, ihre
dreckverschmierten Gesichter trugen den gelangweilten Ausdruck von
Menschen, die man schon sehr lange angebrüllt hat.
    Ihr Herr tobte weiter,
und es machte nicht den Eindruck, als wolle er demnächst
aufhören. Er rannte vor und zurück, fuchtelte mit den
Armen und schien die Luft mit seinen Fäusten erwürgen zu
wollen. Er war ein Mann auf der Schwelle zum Alter,
weißhaarig und leicht gebeugt. Bei seiner Auf- und
Abmarschiererei konnte ich sein Gesicht nur jeweils einen Moment
lang sehen. Seine Haut war gegerbt und von Pockennarben
übersät. Nase, Wangen und Kinn schienen ineinander
überzugehen. Bemerkenswert waren allein seine Augen, die hell
wie die Klingen der weit entfernten Sensen im letzten Tageslicht
funkelten.
    Ich stieg ab und hielt
Vespas Zügel, während ich an die Tür klopfte. Der
große, hagere Sklave, der öffnete, starrte
unterwürfig auf meine Füße und erklärte in
einem verängstigten Flüstern, daß sein Herr
außer Haus beschäftigt sei.
    »Ich
weiß«, sagte ich. » Ich hab gesehen, wie er im
Garten eine Parade abhält. Aber es ist nicht dein Herr, den
ich sprechen möchte.«
    »Nicht? Ich
fürchte, die Herrin ist ebenfalls unabkömmlich.«
Der Sklave blickte auf, jedoch nicht hoch genug, um mir in die
Augen zu sehen.
    »Sag mal, wie
lange bist du schon Capitos Sklave?«
    Er runzelte die Stirn,
als versuche er im stillen zu entscheiden, ob die Frage
gefährlich war. »Erst seit

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