Das Lächeln des Killers
inzwischen eindeutig New York.
Sie liebte ihre kleine Wohnung, ihr eigenes kleines Reich. Sie hatte treue Kameradinnen und Kameraden, gute Freundinnen und Freunde, einen ehrenwerten und befriedigenden Job.
Sie hatte eine Beziehung, nun, zumindest eine Art Beziehung zu dem attraktivsten, rücksichtsvollsten, weltgewandtesten Mann, dem sie je begegnet war. Er ging mit ihr in Galerien, in die Oper, in wunderbare Restaurants. Charles hatte ihr nicht nur eine andere Seite von New York, sondern eine andere Möglichkeit zu leben aufgezeigt.
Und trotzdem lag sie nachts im Bett, starrte unter die Decke und fragte sich, weshalb sie sich so einsam fühlte wie kaum jemals zuvor.
Sie musste unbedingt wieder heraus aus diesem Tief. In ihrer Familie gab es keinen Hang zu Depressionen, und sie würde gefälligst nicht die Erste sein, die darin versank.
Vielleicht brauchte sie ein Hobby. Etwas wie Glasmalerei, Blumenzucht, holographische Fotografie, Stricken oder Makramee.
Verdammt.
Während ihr noch diese grässlichen Gedanken durch den Kopf gingen, kam Ian McNab gesenkten Hauptes auf dem Gleitband aus dem U-Bahn-Schacht gefahren und stieß beinahe mit ihr zusammen, als er direkt vor ihr auf den Gehweg sprang.
»Hi.« Er zuckte zusammen, stopfte die Hände in die Hosentaschen und musterte sie stirnrunzelnd.
»Hi.« Was für ein blödes Timing. Hätte sie sich nicht ein bisschen schneller oder langsamer bewegen, fünf Minuten früher oder zwei Minuten eher das Haus verlassen können?, dachte sie.
Sie runzelte ebenfalls die Stirn, dann aber mussten sie beide sich bewegen, wenn sie nicht in der Menschenmenge untergehen wollten, die vom Gleitband auf die Straße quoll.
»Tja.« Er zog seine Hände wieder hervor und rückte seine Sonnenbrille mit den kleinen runden, wasserblauen Gläsern auf dem Nasenrücken zurecht. »Dallas hat mich angerufen und gesagt, dass sie die Teambesprechung bei sich zu Hause abhalten will.«
»Das ist mir bereits bekannt.«
»Klingt, als wäre gestern Abend ganz schön was los gewesen«, fuhr er mit betont gleichmütiger Stimme fort. »Wirklich schade, dass der Kerl nicht bereits vorgestern im Cyber Perks gesessen hat. Vielleicht hätten wir beide ihn erwischt.«
»Das glaube ich kaum.«
»Ach, She-Body, versuch doch mal, ein bisschen optimistischer zu sein.«
»Versuch du Blödmann lieber ein bisschen realistischer zu sein.«
»Ist es möglich, dass du heute Morgen auf der falschen Seite aus dem Bett dieses tollen Hechtes geklettert bist?«
Sie knirschte mit den Zähnen. »Charles’ Bett hat keine falsche Seite«, erklärte sie mit zuckersüßer Stimme. »Es ist riesengroß und weich und rund.«
»Ach ja?« Bei dem Gedanken, dass sie sich mit einem anderen auf einer solchen Spielwiese vergnügte, brannte die Hälfte seiner Sicherungen durch.
»Genau so einen schlagfertigen Kommentar habe ich von dir erwartet. Das Zusammensein mit all den tollen Tussis scheint ein ausgezeichnetes Hirntraining zu sein.«
»Die letzte Tussi hatte einen Abschluss der technischen Universität von Massachusetts, den Körper einer Göttin und das Gesicht eines Engels. Allerdings haben wir kaum Zeit mit Hirntraining verbracht.«
»Schwein.«
»Zicke.« Als sie vor das Tor des Grundstücks trat, packte er sie am Arm und hielt sie fest. »Langsam habe ich genug davon, dass du mir ständig irgendwelche Vorhaltungen machst. Schließlich bist du diejenige gewesen, die die Sache zwischen uns beendet hat.«
»Und zwar keine Minute zu früh.« Sie wollte sich von ihm befreien, doch in seinen dünnen Armen steckte eine ungeahnte Kraft, und es war regelrecht beschämend, als sie erkennen musste, wie erregend seine Stärke für sie war. »Davon abgesehen ist es wieder einmal so, dass du völlig auf dem Holzweg bist. Du bist es nämlich gewesen, der die Sache beendet hat, weil nicht alles nach deiner Nase ging.«
»Ich bitte um Verzeihung, dass ich was dagegen hatte, dass du, sobald du mein Bett verlassen hattest, zu dieser männlichen Nutte in die Kiste gesprungen bist.«
Sie schlug ihm gegen die Brust. »Nenn ihn bloß nicht noch einmal so. Du hast doch keine Ahnung, was zwischen uns beiden läuft, und wenn du nur ein Zehntel von Charles’ Klasse, Charme und Rücksicht besitzen würdest, wärst du eventuell fast so was wie ein Mensch. Aber da das eindeutig nicht der Fall ist, wäre ich dir dankbar, wenn du mich nie wieder daran erinnern würdest, was für ein lächerlicher, peinlicher und vor allem grauenhafter
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