Das Lächeln des Killers
drückten seine Augen, als er den Blick über die Schar der übrigen Besucher gleiten ließ, Selbstzufriedenheit und Verachtung für die anderen aus.
Ohne mit jemandem zu sprechen, ohne jemanden zu grüßen, ging er durch den Club direkt in eine Nische, wo man mit dem Rücken zur Wand saß und alles bestens überblickte.
»Er war vorher schon mal hier.«
Keiner der Bediensteten des Clubs hatte ihn gekannt. Allerdings war der Geschäftsführer auch derart aufgeregt gewesen, dass er ihr nur mit Mühe hatte seinen eigenen Namen nennen können. Und zwar nicht wegen des Auftauchens der Polizei oder des heillosen Durcheinanders, das plötzlich ausgebrochen war, sondern weil er plötzlich Roarke persönlich gegenübergestanden hatte.
Den Computer und die Nische hatte jemand unter dem Namen R. W. Emerson reserviert. Wieder ein Alias-Name, dachte sie und stellte nach einer kurzen Überprüfung fest, dass es sich erneut um den Namen eines Dichters handelte, der bereits vor langer Zeit gestorben war.
Heute Abend hatte er glattes, warmes, braunes Haar gehabt und mit seiner bernsteinfarben getönten Brille, der dunklen Nietenhose, den knöchelhohen Stiefeln und dem hüftlangen, ebenfalls bernsteinfarbenen Hemd richtiggehend lässig ausgesehen. Am rechten Handgelenk trug er ein goldenes Armband, und eine Reihe kleiner Steinchen glitzerten an seinem Ohr.
Er bestellte seinen Kaffee, führte ein Gespräch auf seinem Handy, trank die ersten Schlucke und sah sich weiter um.
»Er prüft erst mal, ob alles in Ordnung ist«, erklärte Eve. »Und gleichzeitig ist er auf der Jagd. Er begutachtet die Frauen und überlegt, ob vielleicht eine von ihnen seiner würdig ist. Man kann doch über die verschiedenen Computer in dem Club miteinander kommunizieren, oder? Ist das nicht einer der Gründe, weshalb die Leute lieber in einen solchen Laden kommen als einfach gemütlich zu Hause ins Internet zu gehen?«
»Es ist eine Möglichkeit, Bekanntschaften zu schließen«, bestätigte ihr Roarke. »Aufregend anonym und herrlich voyeuristisch. Man schickt eine Nachricht an ein anderes Gerät, beobachtet, wie der oder die Angeschriebene darauf reagiert, und überlegt sich dann in aller Ruhe, ob man weitergehen und persönlichen Kontakt zu der Person aufnehmen will. Allerdings sind die Geräte standardmäßig mit einem Schutzschild ausgestattet, das man aktivieren kann, wenn man nicht gestört werden will.«
Sie verfolgte, wie der Verdächtige den Computer statt mit Stimmbefehlen mithilfe des Keyboards in Betrieb nahm.
»Da.« Roarke berührte sie am Arm und zoomte einen Ausschnitt des Bildes näher zu sich heran. »Der Scanner.«
Sie sah ein kleines, schlankes Silberkästchen, das kaum größer als eine Visitenkarte war. An einer Ecke zog er ein dünnes Kabel aus dem Kästchen und schloss es an den Computer an.
»Oh, er ist tatsächlich gut. Einen so kompakten Scanner habe ich noch nie gesehen«, erklärte Roarke. »Wahrscheinlich hat er ihn selbst gebaut. Ich frage mich...«
»Jetzt ist wohl kaum der rechte Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, ob du nicht ebenfalls ein solches Ding entwickeln lassen kannst«, wies sie ihn zurecht. »Bang. Jetzt hat er uns entdeckt.«
Sein Kopf schoss in dem Video in die Höhe, seine Kinnlade klappte herunter, und für ein paar Sekunden sah er alles andere als überlegen und selbstgefällig aus. Er wirkte verängstigt und regelrecht geschockt. Hinter den modischen Brillengläsern fingen seine Lider an zu zucken, und nervös sah er sich um.
Er stöpselte den Scanner aus, schob ihn zurück in seine Tasche und beugte sich mit dem Eifer und der Ernsthaftigkeit des klassischen Computerfreaks über die Tastatur.
»Jetzt gibt er den Code für den Virus ein«, erklärte Roarke ihr ruhig. »Er schwitzt, aber er weiß trotzdem, was er tut. Jetzt lädt er ihn.«
Der Mann zitterte und fuhr sich wiederholt mit dem Handrücken über den Mund. Trotzdem blieb er sitzen und starrte weiter reglos auf den Monitor.
Schließlich stand er auf, ließ seinen noch fast vollen Kaffeebecher stehen und lief derart hastig zur Tür, dass er gegen ein paar Tische und andere Besucher stieß.
Bis er den Ausgang endlich erreichte, rannte er beinahe. Er drehte seinen Körper leicht nach rechts, stürzte durch die Tür und warf sie mit einem lauten Knall hinter sich zu.
»Weg. In weniger als zwei Minuten. Eine gute Minute, bevor der erste Streifenwagen hier erschienen ist.«
»Achtundneunzig Sekunden, nachdem er uns bemerkt hat«,
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