Das Lächeln des Killers
richtig. Und wenn die Menschen keine Lust hätten zu stehlen, zu lügen, zu betrügen, zu verletzten oder gar zu morden, stünden Sie Ihrerseits dumm da. Wir haben also echtes Glück, weil uns die Natur der Menschen sichere Arbeitsplätze beschert.«
Eve baute sich so zwischen den beiden Männern auf, dass sie einander nicht mehr sahen, und forderte Charles auf: »Nennen Sie mir den Dealer. Wie gesagt, an Ihrer Klientin ist niemand interessiert.«
»Carlo. Einen Nachnamen hat er ihr nicht genannt. Sie haben sich in einem Chatroom zum Thema sexuelle Experimente kennen gelernt.«
Eve lehnte sich an die Kante ihres Schreibtischs. »Wann?«
»Vor zirka einem Jahr. Sie sagt, dass er ihr Leben von Grund auf verändert hat.«
»Und wie laufen die Verkäufe ab?«
»Anfangs hat sie ihm die Bestellung per E-Mail zugeschickt, das Geld elektronisch auf sein Konto überwiesen und die Lieferung aus einem Postfach am Zentralbahnhof geholt.«
»Es gab also niemals irgendwelche persönlichen Kontakte?«
»Nie. Inzwischen hat sich das Ganze derart eingespielt, dass sie per Dauerauftrag jeden Monat fünftausend Dollar an den Typen überweist und dafür eine viertel Unze von dem Zeug von ihm bekommt.«
»Ich muss mit ihr reden.«
»Dallas...«
»Dafür gibt es einen Grund. Ich brauche seine Kontonummer und alles, was sie mir sonst noch sagen kann. Wenn sie regelmäßig Geschäfte mit ihm macht, hat sie doch sicher ein Gefühl dafür entwickelt, was für eine Art von Mensch er ist. Und vor allem müssen wir sie warnen. Es wäre nämlich durchaus möglich, dass sie ebenfalls ein potenzielles Opfer ist.«
»Das ist sie garantiert nicht.« Als sich Eve von ihrem Schreibtisch abstieß, erhob er sich von seinem Platz. »Sind das da Ihre Opfer?«, fragte er und zeigte auf die Pinnwand. »Wie alt sind sie, zwanzig, fünfundzwanzig? Die Frau, von der ich rede, ist bereits über fünfzig. Sie ist attraktiv und sehr gepflegt, aber sie strahlt nicht mehr diese Frische aus. Den Berichten in den Medien zufolge waren die Opfer allein stehend und haben auch allein gelebt. Sie ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und ihrem heranwachsenden Sohn zusammen. Die Termine mit mir sind für sie eine nette Abwechslung, mehr nicht. Wie ein Tag im Schönheitssalon. Wenn Sie sie in dieser Angelegenheit befragen, bringen Sie dadurch nicht nur sie, sondern gleichzeitig ihre Familie in eine peinliche Situation.«
»Vielleicht schädigen Sie dadurch sogar ihr sexuelles Selbstbewusstsein«, warf Louise, die mit ihrer zweiten Tasse Kaffee am anderen Ende des Arbeitszimmers stand, mit nüchterner Stimme ein. »Die Verwendung der Droge und die Inanspruchnahme eines professionellen Gesellschafters deuten auf eine gewisse Fehlfunktion auf diesem Sektor hin. Sie plötzlich von einer Amtsperson, die sie für Ersteres bestrafen und für Zweiteres belächeln könnte, auf diese Dinge ansprechen zu lassen, wäre deshalb weder aus medizinischer noch aus psychologischer Sicht sonderlich empfehlenswert.«
»Wenn ich ihr das Gespräch erspare, besteht möglicherweise die Gefahr, dass bald die nächste tote Frau an meiner Pinnwand hängt.«
»Lassen Sie mich noch einmal mit ihr reden«, bat Charles in ruhigem Ton. »Ich werde Ihnen die erforderlichen Informationen besorgen. Besser noch, ich gebe auf eigene Rechnung selbst eine Bestellung bei dem Typen auf. Als lizenzierter Gesellschafter bin ich für illegale Sex-Drogen doch der ideale Kunde, meinen Sie nicht auch?«
»Beschaffen Sie mir die Infos bis spätestens drei Uhr. Sonst tun Sie vorläufig nichts. Ich will nicht, dass er Ihren Namen erfährt.«
»Um mich brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, Lieutenant Sugar.«
»Ich will nur die Informationen, weiter nichts. Und jetzt hauen Sie ab.«
»Ich muss ebenfalls allmählich los. Danke für den Kaffee.« Louise stellte ihre Tasse ab und wandte sich an Charles. »Wollen wir uns vielleicht ein Taxi teilen?«
»Gerne.« Auf dem Weg zur Tür strich er sanft mit einer Fingerspitze über die inzwischen halb verwelkte Blüte, die in Peabodys Knopfloch steckte, und sah sie lächelnd an. »Wir sehen uns die Tage, Delia. Okay?«
»Halten Sie bloß die Klappe«, warnte Eve McNab. »Peabody, Roarke erstellt gerade die Listen der verschiedenen Geschäfte. Gehen Sie rüber und helfen Sie ihm dabei.« Wenn die beiden in getrennten Räumen saßen, hielt der Frieden, wie sie hoffte, eventuell eine Zeit lang an. Sie dachte an Dr. Mira, warf einen Blick auf ihre Uhr und
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