Das Lächeln meiner Mutter
finden, meine Hände begannen zu zittern, eine wachsende, stille Panik erfasste mich, ich stand auf, ging zum Fenster, zog die Vorhänge auf, zog meinen Blouson und meinen Schal aus und legte sie auf ihren Stuhl, ich stellte auch meine Handtasche ab, neben ihrem Schreibtisch, es war wie eine tote Zeit, eine Zeit in der Schwebe, angehalten, damit die Dinge anders sein konnten, damit die Dinge wieder ihren normalen, akzeptablen Lauf nehmen konnten, damit ich aufwachen konnte, doch nichts rührte sich, nichts kehrte sich um, ich näherte mich ihr wieder, kniete mich neben das Bett und beugte mich über sie, um sie zu sehen, im Tageslicht waren ihre Hände blau, zwischen den Fingern und an den Knöcheln wie mit Farbe befleckt, mit nachtblauer Farbe, und ich sagte ganz laut: Was hat sie gemacht, was hat sie nur gemacht, ich dachte, sie habe mit den Händen gemalt.
Die Worte waren da, was hat sie gemacht, doch ich konnte ihren Sinn nicht verstehen, ich wollte es nicht, nein, das kam nicht in Frage, das war unmöglich, das war nicht vorstellbar, es war nicht wahr, das war nicht die Wirklichkeit, das war nicht das, was ich gerade erlebte, so durfte es nicht enden.
Da sah ich ihr Gesicht, gedunsen und ebenfalls blau, in einem blasseren Blau, und die Schimmelspur auf ihrer Wange, oben, neben dem Auge, mehrere Zentimeter groß, ein Kreis von sehr feinen weißen Härchen wie auf einem im Kühlschrank vergessenen Käse.
Ich schnellte hoch, im Flur brach der Schrei aus mir, jäh, laut, ein Schreckensschrei.
Ich kehrte ins Schlafzimmer zurück und griff nach dem Telefon neben ihrem Bett, da wurde mir der beißende, Übelkeit erregende Geruch bewusst, ich öffnete das Fenster, ich spürte, dass ich meine Beine verlor, meine Beine sanken ins Parkett ein, sie kündigten mir den Dienst, schwankend hielt ich mich an der Stuhllehne fest, es gelang mir, mich herumzudrehen und mich auf den Stuhl fallen zu lassen. Ich musste da raus, vor dem Geruch fliehen und vor dem Bild, weglaufen, so schnell ich konnte, doch meine Beine reagierten nicht mehr, ich war an diesen Stuhl geschraubt, mit ihm verschweißt, ich konnte mich nicht mehr bewegen, ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß, ich stöhnte, meine Hände zitterten, ich versuchte, mich zu beruhigen, du musst dich beruhigen, sagte ich mir, du musst etwas tun, jemanden rufen, und da sah ich das Paket mit den Geschenken für uns auf dem Schreibtisch und den Brief daran. Ich glaube nicht, dass ich ihn da gelesen habe, ich nahm ihn in meine zitternden Hände, ich wollte da raus, aber ich konnte es nicht. Es gelang mir, die Notrufnummer zu wählen, ich geriet an eine Musik, ich wartete darauf, dass jemand mit mir sprach, ich sagte, meine Mutter ist tot, meine Mutter liegt hier seit fünf Tagen, lassen Sie mich nicht allein. Ich wurde mit einem Arzt verbunden, man erklärte mir, was ich tun sollte, und ich glaube, das war der Moment, in dem Manon mich auf dem Handy anrief, um zu erfahren, was los war, ich dachte, ich hätte ihren Anruf abgelehnt, aber ich habe wohl auf die falsche Taste gedrückt, Manon hörte das Ende meines Gesprächs mit dem Arzt, bevor ich richtig auflegen konnte. Danach rief ich sie sofort an, Manon hatte es begriffen, sie schrie, nein, nein, nein, das ist nicht möglich, ich dachte daran, dass es ein Mittwoch war, dass sie mit ihren Töchtern zusammen war, dass ihre Töchter Manon jetzt schreien hörten, ich weiß nicht mehr, was ich sagte, ich versuchte zu erklären, der Brief, Lucile in ihrem Bett, die Medikamente, ich weinte, ich zitterte, ich sagte Manon, dass ich sie liebe, sie hörte es nicht, sie ließ mich alles wiederholen, sie fragte mich, wo ich sei, geh da raus, sagte sie, geh da raus.
Mit ihrer Stimme am Telefon gelang es mir, das Schlafzimmer zu verlassen, Manons Stimme trug mich bis in die Küche.
Ich las Luciles Brief an Manon, ein Brief der Liebe und der Erschöpfung.
Ich rief den Vater meiner Kinder an und bat ihn mit schriller, erstickter Stimme, zu mir nach Hause zu fahren, um unseren Sohn abzuholen.
Später rief Manon noch einmal an, um mir zu sagen, sie mache sich auf den Weg zu mir.
Später kam die Polizei, sie waren zu fünft, der Ranghöchste schloss die Tür zu Luciles Schlafzimmer.
Später kam Manon mit Antoine.
Wir gingen ins Wohnzimmer, ich setzte mich auf den Korbsessel, Manon auf das Sofa, sie sagte: Ich hätte sie so gern in die Arme genommen. Ich sah Manons Gesicht, es war verwüstet.
In Manons Gesicht sah
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