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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Vanderbeke
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die Stimme und sagte, alles hybrid.
    Ich sagte, ich kenn mich da nicht so aus.
    Kenne ich nur von der Automesse, sagte Adam, kommt demnächst auf den Markt. Audi 80, kostet lasche 60 000 Mack.
    Nix Audi, sagte Holzapfel, der sich nicht ablenken lassen wollte, sondern in Zorn geraten war.
    Inzucht, sagte er, auf Hochleistung gekreuzt, was das Zeug hält. Legelinien, Mastlinien, alles Selektion, alles steril, alles verkrüppelt, alles geklont. Noch schlimmer als mit den Kühen. Die Zuchtbetriebe sind nichts als Zuliefererindustrie. Mit der Saat ist es übrigens auch nicht anders. So hätten sie’s gern, die großen Konzerne, alles am liebsten steril.
    Monopoly, sagte Adam, wer sagt’s denn.
    Nach und nach verstanden wir, dass Holzapfels Traum nicht Hühner als solche waren, schon ganz bestimmt nicht die als nass gerupfte Eisklumpen käuflichen Industriehühner.
    Kriegen die Chemie gleich im Futter, sagte er, Hauptsache, sie bringen in vier Wochen satte drei Pfund. Und dann wunderst du dich.
    Allergien, fragte Fritzi.
    Und was sonst noch, sagte Holzapfel.
    Also Bio, sagte ich, weil ich dachte, dass er darauf hinauswollte.
    Quatsch, Bio, sagte er. Das ist dasselbe in Grün. Die wollen auch immer nur mehr vom selben.
    Er machte eine kleine Pause, und danach hatte er einen andächtigen Klang in der Stimme:
    Haben Sie schon mal was vom Silberfarbigen Italiener gehört oder vom Bergischen Kräher? Wissen Sie, was ein Altsteirer Huhn ist?
    Wussten wir natürlich nicht.
    Das ist überhaupt das ideale Huhn, sagte er mit Nachdruck und einer Bestimmtheit, die mich an ihm überraschte. Er musste schon jahrelang darüber nachgedacht und sich damit beschäftigt haben.
    Und warum haben Sie dann keine Altsteirer Hühner, fragte ich.
    Meine Frau war die Vernünftige von uns beiden, sagte er und fing an, von den Altsteirer Hühnern zu schwärmen, wie schön sie seien, eine richtige Pracht fürs Auge, weiße und bunte gibt es von denen, feuerrote Hähne und Hennen mit blau-goldenem Hals, und ein Temperament haben sie, da ist keines wie das andere, und fliegen, als wären es Vögel.
    Hast du schon mal ein Huhn gesehen, das von hier bis zu mir rüberfliegen kann, einmal über eure Streuobstwiese, fragte er Anatol.
    Die Kinder hingen wie gebannt an seinen Lippen, und Anatol schüttelte voller Ehrfurcht den Kopf, Magali hatte aufgehört, mit ihrem Rutschauto durch die Küche zu flitzen, sie hielt sich vor Aufregung die Hand vor den Mund.
    Legen auch nicht schlechter als andere Hennen, sagte Holzapfel dann, als hätten wir das bezweifelt, aber er sprach wohl gar nicht zu uns, sondern zu seiner toten Frau.
    Und schmecken, sagte er verträumt, sind eben Zwiehühner. Eier und Fleisch. Kann man doch beides haben. Wenn du ein Mal ein Altsteirer Hähnchen auf dem Teller hattest, sagte er wieder zu Anatol und ließ den Satz unvollendet.
    Dann schüttelte er den Kopf, und wir sahen, wie er innerlich von seinem Altsteirer Höhenflug wieder auf dem Boden landete, auf dem, wie sich herausstellte, seine Frau mit ihren beiden Beinen gestanden und die lizensierten Industriehühner durchgesetzt hatte. Hybrid.
    Hat ja recht gehabt, meine Frau, sagte Holzapfel, Altsteirer brauchen Monate, bis ich sie schlachten kann, dazu Unmengen Auslauf. Und haben ihren eigenen Kopf, bei denen geht nichts mit Zwangsmast. Die suchen sich ihr Futter am liebsten selber. Brennnesseln, Vogelmiere. So sind die. Und was sie sonst noch brauchen, das wollen sie gern persönlich serviert bekommen, das gibt man ihnen am besten aus der Hand. So was hat keinen Markt.
    Adam sagte, dann wollen wir uns mal nach den Charakterhühnern umsehen.
    Wer weiß, ob’s davon überhaupt noch welche gibt, brummte Holzapfel, der nun wieder mutlos wurde, nachdem wir begriffen hatten und mitfühlen konnten, dass er seiner Frau zuliebe auf seinen Traum verzichtet hatte.
    Sind bestimmt längst ausgestorben.
    Dann klärte sich sein Gesicht noch einmal auf, und er sagte, aber wenn sie Platz haben, so viel Auslauf, dass die Hähne sich nicht in die Quere kommen, schmecken sie wie Kapaun.
    Ich kannte Kapaune nur von Stillleben aus dem 16. Jahrhundert und aus Romanen, und wie alle Delikatessen, die man nur von Gemälden oder aus Romanen, aber nicht aus der eigenen Wirklichkeit kennt, weil es sie darin nicht gibt, hielt ich Kapaune für den höchsten aller Genüsse, den Gipfel der Dekadenz, aber Fritzi hatte mit ihrem geheimnisvollen Mann in Paris gelegentlich leibhaftig Kapaun gegessen, sie konnte das also

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