Das Land am Feuerfluss - Roman
den Mund zu einem schiefen Lächeln, als ihr wieder einfiel, wie schockiert sie damals gewesen war, als sie feststellen musste, dass Rhys’ angebliches Paradies in Wirklichkeit eine bunt zusammengewürfelte Ansammlung von baufälligen Holzhäusern, fragwürdigen Wellblechhütten und Unterkünften aus Flechtwerk mit Lehmfüllung war.
Das Buschkrankenhaus, das Rhys so stolz angepriesen hatte, hatte sich letzten Endes als Pfahlbau mit einem einzigen Raum, einer Veranda und durchhängendem Dach erwiesen. Und das ihr in Aussicht gestellte Zuhause war nicht viel besser gewesen. Es besaß weder Tür noch Fenster, der Fußboden bestand aus festgestampfter Erde, und sie sollte das Essen auf einem Feldkocher zubereiten, der draußen neben einem Waschzuber und einer Mangel stand. Das war weit entfernt von dem bequemen Haus, das sie in Brisbane gehabt hatte, und sie hatte ihrem Mann unmissverständlich klargemacht, dass sie so nicht leben wolle.
Gwyneth lachte in sich hinein. Armer Rhys! Er hatte damals noch nicht erkannt, wie willensstark sie war, doch im Lauf der Jahre hatte er gelernt, ihre Tatkraft zu bewundern, und sie konnte auf eine lange, glückliche Ehe zurückblicken.
Morgan’s Reach hatte damals eine kleine Kirche, eine Kneipe und einen Kramladen an einem Feldweg, den man verbreitert hatte, um Platz zu schaffen für die Rinder- und Schafherden, die von den Hirten darübergetrieben wurden, um die Tiere auf dem Weg zum Markt an der Quelle zu tränken, sowie für die Ochsengespanne, die mit Wollballen und Vorräten beladen waren.
Vor allem für die wenigen Frauen war es ein recht unwirtlicher Ort gewesen, denn die Schafscherer, Viehhirten, Ochsentreiber und Fuhrleute versoffen hier ihren Lohn und rauften sich, bevor sie weiterzogen. Der kleine Stamm ortsansässiger Aborigines hegte allen Weißen gegenüber Misstrauen. Nur vereinzelte wagten sich in den Ort. Die meisten zogen es vor, sich an die alten Sitten zu halten, in ihrem traditionellen Lager im Busch zu leben und oft monatelang zu ihren Buschwanderungen zu verschwinden.
Gwyneth dachte an die Veränderungen, die sich in den vergangenen fünfzig Jahren eingestellt hatten. Die Viehtreiber und Schafscherer kamen nach wie vor in den Ort, betranken und schlugen sich, aber es ging inzwischen viel gesitteter zu, denn es gab mehr Frauen. Und die stabilen Häuser entlang der Hauptdurchfahrt hatten Fliegengitter und Gärten mit Lattenzäunen.
Die schlichte Kirche, die am nördlichen Ende der Straße stand, war noch immer dieselbe mit ein paar abgenutzten Bänken und einem alten Küchentisch, der als Altar diente. Der Pfarrer musste allerdings nicht mehr im Zelt leben, denn seine Gemeinde hatte ihm ein schönes Haus direkt neben dem Friedhof gebaut. Nur schade, dass Reverend Algernon Baker, der derzeitige Seelsorger, ein mürrischer, ungeselliger Mann war, den niemand mochte, trotz der Bemühungen seiner schüchternen kleine Frau Frances und des lausbübischen Charmes ihrer Zwillingssöhne. Andererseits führte dieser Charme häufig zu Ärger, und die Jungen hatten schnell den Ruf erlangt, ständig Unfug zu treiben.
Gwyneths Gedanken wanderten zum Schulhaus. Es stand auf dem nächsten großen Grundstück und wurde von der jungen, fähigen Emily Harris geführt, die in einem kleinen Haus dahinter wohnte. Der alte Gemeindesaal war vor langer Zeit abgebrannt; daher erfüllte die Schule an Wochenenden die Doppelfunktion eines Tanzsaals und Treffpunkts.
Vor dem Kramladen hatte man einen von Planen beschatteten Plankenweg angelegt. Daneben reihten sich einige kleine Holzhäuser aneinander sowie eine Schmiede, in der Charley Sawyer herrschte, der sich wegen seines räudigen Hundes ständig mit den alleinstehenden Nachbarinnen stritt. Die Polizeiwache lag gegenüber – obwohl diese Bezeichnung ein wenig lächerlich war, führte Jake Webber das Büro doch im Vorderzimmer seines Privathauses, wobei die Gefängniszelle aus einem hinteren Anbau bestand.
Einige Aborigines hielten sich noch immer an die Tradition, doch die meisten von ihnen lebten inzwischen in Hütten am Nordrand der Ansiedlung, wo einst das alte Buschlager gewesen war. Allmählich hatten sie sich in die Gemeinschaft integriert und arbeiteten nun als Jackaroos, Gehilfen auf den Rinderfarmen, sowie als Viehtreiber. Und nachdem Gwyneth viel Überredungskunst aufgewendet hatte, schickten sie ihre Kinder zur Schule.
Bert und Sal Davenport führten das Hotel Dog and Drover, das neben der Kirche günstig gelegen
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