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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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einem einzigen Teil zu trennen. Sie gehörten inzwischen so fest zu ihrem Leben, dass sie ihr kaum noch auffielen.
    Schilde von Kriegern, Speere und Schrumpfköpfe aus Südamerika waren darunter; Holzschnitzereien aus Indien und von den Südseeinseln; der Stoßzahn eines Elefanten, das Horn eines Rhinozerosses, Steinfiguren aus Ägypten und unzählige Bücher, Zeitschriften, alte Landkarten und Tagebücher. Schubladen und Kartons waren vollgestopft mit einer Fülle von unbedeutenden Souvenirs, und sein Schreibtisch war heute noch so übersät wie an dem Morgen vor sieben Jahren, als er sich im Ledersessel zurückgelehnt hatte und endgültig eingeschlafen war.
    Der Herd war angezündet und verwandelte den kleinen Raum in einen Schmelzofen. Gwyneth öffnete die Fensterläden in der Hoffnung auf eine kleine Brise, die ein wenig Kühlung bringen würde. Als das Licht hereindrang, stellte sie zu ihrem Entsetzen fest, dass Wally in die Vorratskammer eingedrungen war und sich selig durch ihren letzten Zuckersack wühlte.
    »Du bist ein böser Junge«, schimpfte sie, mied seine tödlichen Klauen und packte ihn am Nacken. »Kein Wunder, dass du so dick wirst.« Unwillkürlich musste sie grinsen, als er sie beäugte und sich weiterhin genüsslich Zucker von Schnauze und Krallen leckte. Sie trug ihn zur Hintertür und ließ ihn auf die Veranda plumpsen. »Ab mit dir!«
    Wally betrachtete sie traurig und trollte sich dann auf krummen Beinen davon. Man konnte sich nur wundern, dass er nicht darüber stolperte.
    »Schön«, sagte sie nachdrücklich. »Jetzt kann ich vielleicht weitermachen.«
    Sie ging wieder in die Küche, in Gedanken mit dem Geburtstagskuchen beschäftigt. Danny war ihr Ein und Alles. Wenn er in der Schule war, fehlten ihr sein freches Grinsen und seine endlose Fragerei. Im Grunde ihres Herzens wünschte sie sich jedoch, er wäre eher wie John Blakes Sohn. George war ein ruhiges Kind, das keine Fragen stellte und den Tod seines Vaters einfach hingenommen hatte.
    Seufzend wog Gwyneth die Zutaten für den Kuchen ab. Sie konnte nur hoffen, dass Dannys lange Abwesenheiten von Morgan’s Reach und seine Freundschaft mit George ihn schließlich zur Vernunft bringen würden. Doch nach der Szene, die Rebecca ihr gerade beschrieben hatte, zog sie das allmählich in Zweifel – und das beunruhigte sie zutiefst.

2  
      
    B en Freeman war verunsichert, als er aus Morgan’s Reach hinausfuhr und den Pick-up durch den Busch zu dem Haus steuerte, das er sich gebaut hatte.
    Er kannte Rebecca schon sein ganzes Leben lang, denn seinen Eltern gehörte die Wilga-Farm westlich von Morgan’s Reach. Im Lauf der Jahre hatten Rebecca und er dieselbe Schule, dieselben Picknick-Rennen und Treffen besucht. Aber damals hatte er sich nichts aus ihr gemacht, denn sie war nur eins von vielen lästigen Mädchen und vollkommen uninteressant. Er ging fort, um seine Ausbildung in Brisbane zu beenden, wie die meisten Kinder aus dem Outback, und nach dem College blieb er dort, um bei der Feuerwehr zu arbeiten.
    Doch der Reiz der weiten Ebenen und der Zauber des Busches zogen ihn wieder zurück in die Heimat. Bei seiner Rückkehr nach Morgan’s Reach erfuhr er gerüchteweise, dass Rebecca in Sydney eine Ausbildung als Krankenschwester absolviere und mit einem Studenten der Tiermedizin verlobt sei, einem gewissen Adam Jackson. Selbst das nahm er nicht weiter zur Kenntnis, denn er war zu jener Zeit in Maggie Wheeler verliebt. Tratsch war etwas für Hausfrauen, und er konnte sich kaum noch daran erinnern, wie Rebecca Morgan überhaupt aussah. Dann, im September 1939, wurde der Krieg erklärt, und Ben verließ Morgan’s Reach, um sich mit seinen Freunden freiwillig zur Armee zu melden, da er der Meinung war, der Krieg werde ein großes Abenteuer und biete eine Chance, die Welt zu sehen.
    Ben verzog das Gesicht. Es war eine an die Nieren gehende, entsetzliche, blutige Erfahrung gewesen – alles andere als ein Abenteuer. Und der letzte Brief von Maggie hatte den einzigen Funken Hoffnung ausgelöscht, den er während der endlosen feindlichen Bombardements in der afrikanischen Wüste gehegt hatte, wodurch das Grauen des Krieges und das Heimweh nur noch unerträglicher wurden.
    Ben lenkte den Wagen zwischen Bäumen hindurch. Das flackernde Licht, das durch das Laubdach auf die staubige, verkratzte Windschutzscheibe fiel, erschwerte ihm den Blick auf den Weg. Doch er war schon so oft hier entlanggefahren, dass er sich kaum konzentrieren musste und

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