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Das Land am Feuerfluss - Roman

Das Land am Feuerfluss - Roman

Titel: Das Land am Feuerfluss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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feierte er seinen vierzigsten Geburtstag mit der Grundsteinlegung für das Hospital und gab der Ansiedlung seinen Namen. Dann fehlte ihm nur noch eine Ehefrau.
    Gwyneth Davies war zwanzig und fühlte sich von ihren Eltern ständig unter Druck gesetzt; sie bedrängten ihre Tochter, einen Mann zu heiraten, der ihnen – wie sie glaubten – zu einer höheren Stellung in der Gesellschaft von Brisbane verhelfen würde. Gwyneths Entschlossenheit dazu geriet ins Wanken, als sie auf dem Bürgersteig vor dem Tuchladen förmlich in Rhys Morgan hineinlief. In der Zeit, die sie benötigte, um ihre Pakete einzusammeln und seine Einladung zu einer Tasse Tee in einem benachbarten Café anzunehmen, hatte Gwyneth sich verliebt.
    Trotz ihrer vornehmen Erziehung war Gwyneth von zähem walisischen Geblüt, und die Aussicht, ihr Leben am Ende der Welt zu verbringen, schüchterte sie keineswegs ein. Sie wusste, dass sie mit diesem aufregenden, passionierten Mann an ihrer Seite ein Abenteuer eingehen würde.
    Dennoch war sie eine Frau mit Grundsätzen, und als sie einen flüchtigen Blick auf das Buschwerk und die Blechhütte geworfen hatte, in der ihr frischgebackener Ehemann mit ihr leben wollte, machte sie ihm unmissverständlich klar, dass sie sich darauf nicht einlassen werde.
    Rhys erstarrte in Ehrfurcht vor seiner forschen jungen Frau und erkannte sofort, dass er ihr ein angemessenes Heim schaffen müsse, um sie zu halten.
    Gwyneth kontrollierte die Bauarbeiten des Hauses mit einem wachsamen Auge fürs Detail. Als sie zufrieden war, stellte sie die mitgebrachten Möbel auf, krempelte die Ärmel hoch und nahm die Herausforderung ihres neuen Lebens an.
    In den folgenden Jahrzehnten arbeitete Gwyneth an Rhys’ Seite, versorgte die Kranken und tröstete die Sterbenden. Sie ertrug die Fliegen und den Staub in dieser äußerst primitiven Umgebung und lernte, Feuer, Überschwemmungen, Hitze und Dürre zu überstehen, während sie sechs Kinder großzog und die Schulbehörde drangsalierte, eine Lehrerin in die kleine Schule zu entsenden, die Gwyneth in der Stadtmitte gegründet hatte.
    Drei seiner Enkelkinder, Millicent, Rebecca und Terence, hatten Rhys besonders nahegestanden, und er hatte so lange gelebt, dass er seinen Urenkel Danny noch kennenlernen konnte. Als Rhys im Frühjahr 1939 den Belastungen der unwirtlichen Umgebung und seiner weit gestreuten Aktivitäten erlag, hatte er das stolze Alter von neunzig Jahren erreicht.
    Damit hatte Gwyneth nicht nur einen Ehemann, sondern auch ihren engsten Freund verloren, und sie trauerte noch immer um ihn. Dennoch erfüllte es sie mit Dankbarkeit, dass er in Frieden gegangen war, in der Gewissheit, dass sein ältester Sohn Hugh das Lebenswerk des Vaters fortführen und Hughs Frau Jane und seine Tochter Rebecca ihm dabei zur Seite stehen würden.
    Das Buschkrankenhaus hatte sich seit den frühen Anfängen verändert. Die technische Ausstattung war inzwischen deutlich verbessert. Die alte, baufällige Hütte war durch einen einstöckigen Holzbau ersetzt worden, der etwas zurückgesetzt von der Straße auf einem großen Grundstück stand. Die breiten Veranden und grün gestrichenen Fensterläden sorgten an heißen Tagen für Schatten. Man hatte einen Blick auf den Feldweg, der schließlich in die Fernstraße mündete. Es gab einen Krankensaal, einen Isolierraum, ein Sprechzimmer mit einem dahinterliegenden kleinen Operationssaal für Notfälle, eine Küche sowie ein gut eingerichtetes Bad und eine Toilette im Haus. Die Medikamente wurden hinter einer stabilen Tür verschlossen aufbewahrt, und das Funksprechgerät war mit dem benachbarten Wohnhaus verbunden, wo Rebecca und ihr neunjähriger Sohn Danny inzwischen mit Rebeccas Eltern lebten.
    Rebecca hatte alle Fensterläden geschlossen, um die glühende Mittagshitze auszusperren, sodass es im Krankensaal schummrig war. Es hätte relativ kühl sein sollen, doch der quietschende Deckenventilator vertrieb die Hitze nicht. Als Rebecca sich anschickte, nach ihren sechs Patienten zu sehen, nahm sie sich vor, ihn ölen zu lassen, bevor alle verrückt würden.
    Ihre gestärkte Schürze knisterte, als sie leise auf Gummisohlen an den Betten vorbeiging. Es war ungewöhnlich, dass sämtliche Betten belegt waren, doch keiner der Fälle hatte sich als so schwerwiegend erwiesen, dass man einen Flying Doctor hätte rufen müssen. Dieser Arzt erreichte im Notfall entlegene Gebiete per Flugzeug und flog die Kranken bei Bedarf ins große Hospital von Brisbane aus.

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