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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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kicherte.
    »Werden sie mich heute alle verspotten?« rief Enkidu.
    »Sei still, Herodes! Weiter, was hat Helena dir gesagt über…«
    »Sie und Raleigh zogen, wie wir wissen, durch das Outback im Auftrag von Raleighs Königin, die Elizabeth heißt und die den Weg ins Land der Lebenden sucht. Raleigh hat eine Landkarte, oder vielmehr der kleine Kerl Hakluyt hat eine, der ihm als Führer dient, und Helena hat sie gesehen. Da steht ganz deutlich, wo die Öffnung in die andere Welt sich befindet.«
    »Und wo ist dieser Ort?« fragte Gilgamesch.
    Erneut zögerte Enkidu und schaute Magalhaes düster an.
    »Raus damit, Enkidu! Wo ist es?«
    »Auf Brasil«, sagte Enkidu.
    »Brasil?«
    »Ja, die Insel Brasil. Simons Stadt, in der dir die Erkenntnis zuteil wurde, die dich hierher geführt hat, Bruder.«
    Gilgamesch war verblüfft. »Ja, ich fand wirklich, daß Raleigh erstaunt aussah, als ich erwähnte, daß ich früher einmal in Brasil gewesen bin. Ich erwähnte den Namen kaum, da wurde er kurzatmig und riß die Augen weit auf. Aber nein, Enkidu, nein, wie könnte so etwas sein? Ich war doch dort. Ich hätte doch gewiß etwas davon gehört.«
    »Hast du danach gefragt?«
    »Wieso hätte ich so etwas fragen sollen? Solange ich in Brasil weilte, kam mir kaum je ein Gedanke an ein Land der Lebenden.«
    »Siehst du? Siehst du?«
    Gilgamesch sah Herodes an. »Du hast viele Jahre in Brasil gelebt. Was kannst du dazu sagen? Gibt es dort diesen Weg, oder nicht?«
    »Also, ja, es gab da so Geschichten«, sagte Herodes ausweichend. »Daß die Tunnelgänge unter der Stadt dorthin führten, vielleicht, und allerlei ähnliche Märchen. Ich habe nie besonders darauf geachtet. Ich habe nie auch nur ein Zehntel von den phantastisch klingenden Sachen geglaubt, die man sich in dieser Stadt herumerzählte. Vielleicht nicht einmal den hundertsten Teil.«
    Gilgameschs Blick verlor sich in der Ferne. Bei den Worten Herodes’ erwachte wieder das Bild der dunklen Schächte im Bauch der Insel Brasil, in denen Calandola und seine Menschenfresserhorde lauerten. Ja doch, auch er hatte es vernommen, mehr als nur einmal, daß sich irgendwo in diesen Tunnelgängen der Weg ins Land der Lebenden finden lasse. Nun fiel es ihm wieder ein. Doch es gab uralte Gänge unter vielen der Städte der Nachwelt, unter Nova Roma, unter Elektrograd, unter Nibelheim, vielleicht gar unter Uruk, wer konnte das schon wissen. Und in diesen Städten hörte man oft hinter vorgehaltener Hand flüstern, daß man durch einen der unterirdischen Gänge aus der Nachwelt entrinnen könne. Aber geflüsterte Gerüchte bedeuten schließlich nicht, daß sie wahr sind. Niemand wußte mehr, wer diese Gänge gegraben hatte und aus welchem Grund. Es waren nichts weiter als dumpfe Höhlungen, staubig, unheimlich, widerlich, vor langer Zeit bereits verlassen. Gilgamesch sah keinen Grund, ihnen eine besondere magische Bedeutung zuzuschreiben. Es hat immer schon Leute gegeben, die das Licht das Tages scheuten, dachte er, und sich lieber in den Eingeweiden der Erde vergruben. Aber weshalb sollte er dann glauben, daß diese Irrgänge, die von vergessenen Mineuren vor langer Zeit in der Nachwelt gegraben wurden, irgendwohin führen sollten als nutzlos im Kreise?
    Er sagte, nach geraumer Zeit: »Wo ist mein Haariger Mann? Wir wollen ihn dazu befragen.«
    »Er wartet in der Vorhalle«, berichtete Herodes.
    Enkidu sagte: »Wäre es nicht großartig, das Land der Lebenden zu sehen, Bruder? Du und ich – und Helena?«
    »Aha, und Helena, ja?«
    »Ja, sie würde mit uns kommen. Sie wird uns führen auf dem Weg, und alle Hindernisse werden vor ihr zunichte werden.« Enkidus Augen leuchteten. »Ach, Gilgamesch, mein Bruder, du hast nie ein Weib wie sie gesehen! Sie ist ein Wunder! Eine Göttin!«
    »Ich habe Göttinnen in meinen Armen gehalten, Bruder«, erklärte Gilgamesch trocken; er erinnerte sich an sein erstes Leben, als er König gewesen war im echten, wirklichen Uruk und jedes Jahr mit der göttlichen Inanna pflichtgemäß die rituelle Heilige Hochzeit zu vollziehen hatte. Es war eine recht heftige Sache gewesen, das mit der Inanna, deren mißgünstiger Eifer und Machtgier ihn beinahe vorzeitig das Leben gekostet hatten. »Sie sind nicht immer sehr angenehme Bettgefährtinnen, wenn ich dir das warnend in Erinnerung rufen darf. Aber sieh, schau, da kommt mein Haariger Mann.«
    »Du hast mich herbefohlen, hier bin ich, König Gilgamesch«, sagte das uralte Geschöpf.
    »Wir reden gerade über den

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