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Das Land der lebenden Toten

Das Land der lebenden Toten

Titel: Das Land der lebenden Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Zwischenfall auf der Treppe zur Bibliothek in der Zweiundvierzigsten – nichtidentifizierter Stadtstreicher, schwere Verletzung, Vergewaltigungsversuch an der Frau, Gil verhinderte das und verletzte den Typ, keine offizielle Anklage, sieht aber so aus, als wäre es ein Psycho-Fall, sagen sie…«
    Enkidu begriff überhaupt nichts und fuchtelte heftig mit der Hand. Gallagher schaltete sich ein: »Ich bin ein Freund von Mister Hinkadoo und vertrete ihn. William Gallagher. Wie wollen wir verfahren, damit wir Mr. Hinkadoos Bruder und seine Verlobte in unsere Obhut übernehmen könnten?«
    »Also, zuerst solltet ihr mal versuchen, runter zum Bellevue zu kommen.«
    »Unter welcher Fall-Nummer können wir nachfragen?«
    Es kam ein Klicken in der Leitung. Gallagher kniff die Brauen zusammen und legte den Hörer auf. Zu Enkidu sagte er: »Hast du irgendwas davon mitgekriegt?«
    »Man hat sie gefunden, ja?«
    »Ja. Irgendwie ein Knatsch vor der Bibliothek, die Bullen, die Polizei haben sie im Bellevue eingelagert, weil sie keine Personalausweise hatten, und wegen allgemein exzentrischer Verhaltensweise, nehme ich mal an.«
    »Was ist denn das, dieser Persönlichkeitsnachweis, von dem ihr alle redet, die wir nicht haben?«
    »Es bedeutet den Nachweis, daß du existierst.«
    »Ach. Und Bellevue?«
    »Das ist die hiesige Klapsmühle.«
    »Klapsmühle?«
    »Du weißt schon. Wo sie die Spinner einbuchten.«
    »Was? Ein Haus voll Spinnen? Aber wieso wollen sie Gilgamesch in ein Haus voll Spinnen bringen?«
    »Weil…« Gallagher preßte sich die Hände auf die Augen. »Mich sollten sie ins Spinnerhaus stecken, weißt du? Aber das würdest du nicht kapieren. Natürlich nicht.« Er sah durch die Finger Enkidu an. »Es ist eine Anstalt für Psychos, für Irre, für Geisteskranke. Kannst du irgendwas davon verstehen? Ja? Nein. Macht nichts. Wir gehen da eben einfach hin und holen sie da raus, klar? Vergiß nicht, er ist dein Bruder, und nicht etwa dein Freund. Und dein Name ist Hinkadoo Khalili, und du kommst aus dem Iran, und er ebenfalls, und auch das Mädchen, und falls sie dich danach fragen, seid ihr hierher gekommen, um politisches Asyl zu bekommen, aber hoffen wir, daß sie danach nicht fragen, und deinen Paß hast du in deinem Hotel gelassen, und wenn sie dich fragen, in welchem Hotel, dann überlaß es mir zu antworten, und überhaupt sagst du am besten nicht mehr, als unbedingt nötig, ja?«
    »Sie ist Griechin«, sagte Enkidu.
    »Also, jetzt hör mir mal zu: Für heute ist sie aus dem Iran, okay? Es vereinfacht die Sache, wenn ihr alle drei aus dem gleichen Land kommen würdet, auch wenn’s nicht stimmt.« Er rieb sich nachdenklich und behutsam den Schädel. »Ich sollte mir wirklich mal meinen Kopf untersuchen lassen. Ich müßte wirklich mal zu ‘nem Psychiater und meinen Kopf durchchecken lassen! Ach, komm, zieh deine Latschen an. Ziehen wir rüber.«
     
     
    Gilgamesch blickte erstaunt von Enkidu zu Helena und zu dem kleinen Mann mit dem harten Gesicht und den blauen Augen und danach wieder zu Enkidu zurück.
    Dieser gab ihm ein rasches, kaum sichtbares Zeichen, das bedeutete: Bleib einfach still und laß den Mann da alles erledigen.
    Schön, dachte Gilgamesch. In der Nachwelt war er ja wohl ein Held unter Helden, doch in diesem üblen erbärmlichen Sumpfloch von Welt hier war er ganz verloren und hilflos. Dieser Mann, den Enkidu irgendwo gefunden hatte, schien zu wissen, wie man es hier richtig machte und was man sagen mußte. Schön. Gut so. Nur bringt mich raus von hier, mehr will ich nicht.
    Der andere kleine Mann, der in dem schmuddeligen weißen Mantel, der ihm während der letzten zwei Tage so viele absurde Fragen gestellt hatte, sagte gerade zu dem anderen Mann, der mit Enkidu gekommen war: »William Gallagher?«
    »Richtig, Doktor.«
    »In welcher Beziehung stehst du zu diesen Leuten?«
    »Also eigentlich ist es ja meine Schwester Marie. Sie arbeitet für die Iranian-American Friendship League, wissen Sie, die mit dem Büro droben in Morningside Heights, und sie hat mich gebeten, diese drei Leute in Empfang zu nehmen und sie zu einer Adresse irgendwo in der Hundertzwölften West abzuliefern, wo man sich um sie kümmern wird. Es sind politische Flüchtlinge. Unglücklicherweise passierte am Flughafen eine Panne, und sie wurden getrennt, als sie in den Bus stiegen, der sie zum Westside Terminal bringen sollte, wo ich auf sie wartete, um sie aufzunehmen, und dann…«
    »Allright«, sagte der Mann in dem weißen

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