Das Land der MacKenzies
zurückgeschaut?“
„Und geflirtet. Eine hat sogar so getan, als liege ihr tatsächlich etwas an mir. Aber als ich mit ihr tanzen gehen wollte, hat sie ganz schnell einen Rückzieher gemacht. Vermutlich ist es wohl okay, mit mir zu flirten, so als würde man einem Bullen eine rote Fahne vor die Nase halten. Aber absolut undenkbar, dass sie mit einem Indianer ausgehen würde.“
„Das tut mir leid.“ Ohne nachzudenken, legte Mary ihre Hand auf seine Finger. „Hast du deshalb die Schule verlassen?“
„Es schien keinen Sinn mehr zu machen, hinzugehen. Meinen Sie jetzt nicht, es wäre irgendetwas Ernstes gewesen. So weit ist es gar nicht gekommen. Sie gefiel mir einfach, ich war an ihr interessiert. Aber diese ganze Sache hat mir klargemacht, dass ich niemals hineinpassen werde. Keines von diesen Mädchen würde je mit mir ausgehen.“
„Und wie stellst du dir das vor? Für den Rest deines Lebens auf der Ranch arbeiten, nie eine Freundin haben, niemals heiraten?“
„An Heiraten denke ich sowieso nicht!“, kam es vehement zurück. „Und was den Rest angeht ... es gibt andere, größere Städte. Die Ranch läuft jetzt richtig gut, wir haben sogar etwas Geld auf die Seite gelegt.“ Er erwähnte nicht, dass er seine Jungfräulichkeit schon vor zwei Jahren in einer dieser großen Städte verloren hatte. Er wollte sie nicht schockieren, und er war sicher, dass diese Information sie ganz bestimmt entsetzen würde. Diese neue Lehrerin war nicht nur bieder und verklemmt, sie war unschuldig. Sie war so anders als die anderen Lehrer. Wenn sie ihn ansah, dann sah sie wirklich ihn an, Joe Mackenzie, nicht das Halbblut mit der bronzefarbenen Haut und den schwarzen Haaren. Sie hatte seinen Traum erkannt, die Besessenheit, die er schon immer für Flugzeuge und das Fliegen gehabt hatte.
Nachdem Joe gegangen war, verschloss Mary die Haustür und ging zu Bett. Es war ein wahrhaft aufregender Tag für sie gewesen, lange fand sie keinen Schlaf -und schlief dafür prompt bis spät in den nächsten Morgen hinein. Sie hielt sich den ganzen Tag beschäftigt, nur um nicht an Wolf Mackenzie denken zu müssen. Oder sich Fantasien über Dinge auszumalen, die nie passiert waren.
Sie putzte und polierte, bis das alte Haus glänzte, dann holte sie die Kartons mit den Büchern hervor, die sie aus Savannah mitgebracht hatte, mit dem festen Vorsatz, sie auszupacken. Bücher verliehen einem Haus immer eine wohnlichere Atmosphäre. Dummerweise gab es nirgendwo Regale, in die man die Bücher hätte stellen können. Sie würde sich also direkt morgen Nachmittag im Kaufhaus nach einem Regal umsehen, das man selbst zusammenbauen konnte. Mit einem Schraubenzieher kam sie schon zurecht. Und wenn man im Kaufhaus nichts dergleichen finden konnte, dann würde sie wohl Holz kaufen und einen Schreiner beauftragen müssen.
In der Mittagspause am Montag rief Mary bei der Landesschulbehörde an, um sich zu erkundigen, welche Schritte unternommen werden mussten, damit Joes Privatunterricht für seinen Schulabschluss anerkannt wurde. Wie Mary erfuhr, verfügte sie zwar über die notwendigen Qualifikationen, trotzdem war noch eine Menge Papierkram zu erledigen, bevor Joes Noten angerechnet werden konnten. Mary machte diesen Anruf vom Lehrerzimmer in der Schule aus. Das Zimmer war winzig und wurde auch so gut wie nie benutzt - erstens unterrichteten nur drei Lehrer an der Schule, zweitens blieb nie Zeit für eine Pause -, trotzdem war es ausgestattet mit Tisch und Stühlen, einer Kaffeemaschine, einem Kühlschrank und einem Telefon. Es war so ungewöhnlich, dass jemand hier auftauchte, dass Mary sich erstaunt umdrehte, als Sharon Wycliffe, die die Klassen eins bis vier unterrichtete, den Kopf zur Tür hereinsteckte.
„Mary, ist dir nicht gut? Fühlst du dich krank?“
„Nein, mir geht’s bestens.“ Mary wischte sich den Staub von den Händen. Den Telefonhörer überzog eine dicke graue Schicht, Zeugnis davon, wie selten dieses Telefon benutzt wurde. „Ich habe nur einen Anruf gemacht."
„Oh! Ich dachte schon ... du warst so lange hier drinnen, da machte ich mir Sorgen, dass dir eventuell übel sein könnte. Wen hast du denn angerufen?"
Sharon dachte sich nichts dabei, diese Frage zu stellen. Sie war in Ruth geboren und aufgewachsen, war in der kleinen Stadt zur Schule gegangen und hatte einen Mann aus Ruth geheiratet. In Ruth kannte jeder jeden, was bei einhundertundachtzig Einwohnern nicht schwierig war. Jeder wusste über den anderen
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