Das Land der MacKenzies
Kongressmitglieder in Wyoming geschrieben und eine Freundin gebeten, so viel wie möglich an Informationen über die Air Force Academy zu sammeln. Als der dicke Briefumschlag ankam, überreichte sie ihn Joe und sah zufrieden, wie seine Augen aufleuchteten. Es bereitete ihr Freude, mit Joe zu arbeiten. Einen Wermutstropfen allerdings gab es - der Junge erinnerte sie ständig an Wolf.
Nicht dass Wolf ihr fehlte. Wie konnte man jemanden vermissen, den man nur zweimal gesehen hatte? Schließlich gehörte sie nicht zu seinem Leben, und ihr Leben war auch nicht leer ohne ihn. Doch als sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte sie sich lebendiger als je zuvor gefühlt. Mit Wolf war sie nicht Mary Potter, die alte Jungfer, gewesen, sondern Mary Potter, die Frau. Er hatte Dinge in ihr angerührt, von deren Existenz sie bisher nicht einmal geahnt hatte, hatte Sehnsüchte und Wünsche erweckt. Auch wenn sie sich sagte, dass es sich dabei um pure Lust handelte ... es half nicht, um das schmerzhafte Verlangen zu mildern, das sich jedes Mal in ihr ausbreitete, wenn sie an ihn dachte. Und ihre Scham war umso größer, da ihre Unerfahrenheit so augenscheinlich gewesen war und er nun mit absoluter Gewissheit wusste, dass sie eine liebeshungrige alte Jungfer war.
Es wurde April, bevor das Unvermeidliche nicht länger aufzuhalten war und sich die Nachricht verbreitete, dass sich Joe Mackenzie sehr oft im Haus der neuen Lehrerin aufhielt. Es dauerte etwas, bevor Mary merkte, dass ihre Schüler sie mit seltsamen Blicken bedachten und hinter vorgehaltener Hand flüsterten, wenn sie vorbeiging. Auch Sharon Wycliffe und Dottie Lancaster bildeten keine Ausnahme. Das Geheimnis war also gelüftet, aber Mary ging weiterhin heiter ihrer Arbeit nach. Sie hatte einen sehr positiven Brief von einem Senator erhalten, der an Joe interessiert schien. Und entgegen ihrer eigenen Warnung, sich keine zu großen Hoffnungen zu machen, war sie zuversichtlich und bester Laune.
In der dritten Aprilwoche sollte eine Schulversammlung stattfinden. Nachmittags fragte Sharon Mary mit übertriebener Ungezwungenheit, ob Mary ebenfalls daran teilnehmen wolle. Mary sah überrascht auf. „Natürlich nehme ich teil. Das wird doch von uns allen erwartet.“
„Nun ja, eigentlich schon, ich dachte nur ...“
„Du dachtest, ich würde nicht kommen, weil ich Joe Mackenzie Privatunterricht gebe, ist es das?“
Sharon stand der Mund offen. „Wie?“ Ihre Stimme war kaum hörbar.
„Das wusstest du nicht? Na, es ist ja kein welterschütterndes Geheimnis.“ Mary zuckte mit einer Schulter. „Joe war der Meinung, dass die Leute sich aufregen würden, wenn ich ihn unterrichte, also habe ich nichts gesagt. Allerdings ... so wie sich jeder hier benimmt, dachte ich, die Katze sei längst aus dem Sack.“
„Das war dann wohl nicht die richtige Katze“, murmelte Sharon verdutzt. „Sein Truck stand immer abends vor deinem Haus und ... äh ... die Leute haben einen falschen Eindruck gewonnen.“
Mary verstand nicht. „Was für einen falschen Eindruck?“
„Nun ja, er ist sehr weit entwickelt für sein Alter ... und überhaupt ...“
Für Mary ergab das keinen Sinn - bis sie in Sharons hochrotes Gesicht schaute. Es traf sie wie ein Schock ... dem sofort ungläubige Wut folgte. „Sie glauben, ich hätte eine Affäre mit einem sechzehnjährigen Jungen?!“ Mit jedem Wort wurde ihre Stimme schriller.
Sharon sah betreten drein. „Es war immer spätabends, als sein Auto gesehen wurde.“
„Joe verlässt mein Haus um Punkt neun. Da muss jemand eine andere Auffassung von spät haben als ich.“ Mary stopfte mit bleichen Wangen Unterlagen in ihre Aktentasche. Bis sieben Uhr an diesem Abend würde sie warten müssen, aber diese Zeit würde nicht ausreichen, um ihre Wut abzukühlen. Sie war fast außer sich vor Rage, nicht nur weil ihr Ruf beschmutzt worden war, sondern weil man Joe ebenso verdächtigt hatte. Er versuchte mit aller Anstrengung, seinen Traum zu verwirklichen, und diese Leute hier wollten ihn scheinbar unbedingt aufhalten. Sie fühlte sich wie eine Löwin, die ihr Junges verteidigte, weil es angegriffen worden war. Dass dieses Junge gut einen Kopf größer war als sie und fast doppelt so viel wog wie sie, war unwichtig. Der Vater hatte ihre Unterstützung zurückgewiesen, aber nichts auf der Welt würde Mary aufhalten können, sich für den Sohn einzusetzen.
Es musste sich herumgesprochen haben, denn die Versammlung war ungewöhnlich gut besucht an diesem
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