Das Land der MacKenzies
verschwunden.
Mary blieb mit geschlossenen Augen reglos liegen. Jemand kam fluchend die Gasse heruntergelaufen, rannte dem Täter nach, dann kamen die Schritte in Marys Richtung zurück.
„Mary“, sagte eine ernste Stimme, „sind Sie in Ordnung?
Irgendwie schaffte sie es, die Augen zu öffnen, und sah Clay Armstrong neben sich knien. Er war bis auf die Haut durchnässt, seine blauen Augen funkelten vor Wut, dennoch drehte er Mary ganz sanft um und hob sie vorsichtig auf seine Arme.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“ Seine Stimme klang drängender.
Der Regen fiel auf ihr Gesicht. „Ja“, brachte sie hervor und barg den Kopf an seiner Schulter.
„Ich kriege ihn“, presste Clay grimmig hervor. „Ich schwöre Ihnen, ich werde den Mistkerl kriegen.“
Es gab keinen Arzt in der Stadt, aber Bessie Pylant war gelernte Krankenschwester. Clay trug Mary zu ihrem Haus, und Bessie rief den Allgemeinmediziner in der nächsten Stadt an, bei dem sie arbeitete. Während sie warteten, dass der Arzt ankam, reinigte Bessie Marys Wunden, kühlte die Prellungen und nötigte Mary, viel zu süßen Tee zu trinken.
Clay war verschwunden, aber Bessies Haus war plötzlich voller Frauen. Sharon Wycliffe versicherte Mary, dass sie und Dottie ihre Klasse übernehmen würden, wenn Mary lieber ein paar Tage zu Hause bleiben wolle. Francie Beecham erzählte Anekdoten aus ihrer Lehrerzeit, und die anderen Frauen steuerten kleine Episoden bei. Die Absicht war klar: Sie wollten Mary von dem Geschehenen ablenken und auf andere Gedanken bringen. Mary saß stumm da, eingewickelt in die Decke, die Bessie ihr gegeben hatte, und hatte verkrampft die Fäuste geballt, sodass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Sie war den Frauen dankbar, und mit äußerster Anstrengung konzentrierte sie sich auf das leichte Geplauder. Sogar Cicely Karr kam und tätschelte ihr tröstend die Hand, obwohl sie doch vor wenigen Stunden noch aneinandergeraten waren.
Als der Arzt kam, führte Bessie die beiden in ein ruhiges Schlafzimmer. Der Doktor untersuchte Mary gründlich und fragte mit gedämpfter Stimme nach dem Vorfall.
Schließlich meinte er: „Sie kommen wieder in Ordnung. Es gibt keine größeren Verletzungen, keine Gehirnerschütterung, und eine anständige Nacht Schlaf wird Ihnen mehr guttun als jede Pille, die ich Ihnen verschreiben kann.“
„Danke, dass Sie hergekommen sind“, erwiderte Mary höflich.
Doch die Anspannung und die Verzweiflung in ihr wuchsen. Jeder war so nett zu ihr, und doch wollte sie nur nach Hause und allein sein. Sie fühlte sich schmutzig und entblößt. Sie wollte allein sein, sie brauchte eine Dusche und Ruhe, und mehr als alles andere brauchte sie Wolf.
Als sie aus dem Schlafzimmer hervorkam, war Clay zurückgekehrt. Er ging sofort zu Mary und nahm ihre Hand. „Wie fühlen Sie sich?“
„Schon besser.“ Wenn sie noch irgendjemandem sagen musste, dass es ihr gut ging, würde sie anfangen zu schreien.
„Ich brauche Ihre Aussage. Ich meine, nur wenn Sie dazu in der Lage sind ...“
„Ja, natürlich.“ Das Beruhigungsmittel, das der Arzt ihr gegeben hatte, begann zu wirken. Sie war benommen, und alles schien ihr irgendwie unwirklich. Sie ließ sich von Clay zu einem Stuhl führen und zog die Decke enger um sich, als sie sich setzte. Ihr war eiskalt, und ihre Zähne schlugen wie in kaltem Fieber aufeinander.
„Sie müssen keine Angst mehr haben“, hob Clay leise an. „Er ist bereits festgenommen und sitzt in Haft.“ Erstaunt starrte sie Clay an. „Festgenommen? Sie wissen, wer es ist?"
„Ich habe ihn gesehen." Clays Stimme war hart.
„Aber er trug eine Skimaske." Daran erinnerte sie sich, an die Wolle unter ihren Fingern.
„Das schon, aber sein Haar hing hinten heraus."
Der Mann hatte so langes Haar, dass es unter der Mütze heraushing? Clay dachte doch wohl nicht ... Ihr wurde schrecklich übel. „Wolf?", brachte sie erstickt hervor.
„Keine Sorge, ich sagte Ihnen doch, er sitzt bereits in Haft."
Sie ballte die Fäuste, dass sich ihre Nägel in die Handflächen gruben. „Dann lassen Sie ihn sofort wieder frei."
Erst sah Clay verdutzt aus, dann wurde er wütend. „Lassen Sie ihn frei?! Verdammt, Mary, begreifen Sie denn nicht? Er hat Sie angegriffen!"
Langsam schüttelte sie den Kopf. „Nein, er war es nicht."
„Ich habe ihn gesehen. Er war groß und hatte langes schwarzes Haar. Verdammt, wer sonst kann es gewesen sein?"
„Das weiß ich nicht, aber es war nicht Wolf."
Die Frauen
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