Das Land der MacKenzies
holt. Was meinen Sie wohl, wie er sich dabei fühlt? Diese zwei Jahre im Gefängnis kann ihm niemand zurückgeben, und jetzt sieht es so aus, als wollten die Leute ihn wieder dorthin schicken."
Mrs. Karr wirkte bedrückt. „Wir alle haben uns damals geirrt, das Justizsystem hat sich auch geirrt. Aber selbst wenn Mackenzie beweisen konnte, dass er Cathy Teele nicht vergewaltigt hat... können Sie nicht nachvollziehen, warum der Sheriff ihn vernehmen wollte?"
„Nein, kann ich nicht."
„Mackenzie hat Grund genug, sich zu rächen."
Mary war fassungslos. „Und Sie glauben, er rächt sich, indem er eine junge Frau überfällt, die noch ein Kind war, als er hinter Gitter gebracht wurde? Für was für einen Mann halten Sie ihn bloß?" Die Vorstellung erfüllte sie mit Grauen, dass jeder in Ruth so dachte.
„Ich halte ihn für einen Mann, der voller Hass steckt." In Mrs. Karrs Augen war zu sehen, dass sie fest an das glaubte, was sie sagte.
Mary wurde übel, sie schüttelte den Kopf. „Nein", sagte sie leise. „Wolf ist verbittert über die Art, wie er behandelt wurde, aber in ihm ist kein Hass. Und nie, niemals würde er eine Frau so verletzen." Wenn sie etwas mit absoluter Gewissheit wusste, dann das.
Aber Mrs. Karr schüttelte ebenfalls den Kopf. „Erzählen Sie mir nicht, dass dieser Mann nicht hasst! Es steht in diesen höllenschwarzen Augen zu lesen. Er hasst uns alle! Der Sheriff weiß, dass Mackenzie in Vietnam war, in irgendeiner Spezialeinheit, die auf Töten trainiert war oder so was Ähnliches. Man kann ja gar nicht ahnen, was das mit diesem Mann angestellt hat. Vielleicht hat er Cathy Teele nicht vergewaltigt, aber es ist auf jeden Fall eine gute Gelegenheit für ihn, sich an uns zu rächen und die Schuld auf denjenigen zu schieben, der sich wirklich an dem armen Mädchen vergriffen hat.“
„Wenn Wolf auf Rache aus wäre, dann würde er es bestimmt nicht hinterrücks machen“, sagte Mary erbost. „Sie haben keine Ahnung, was für ein Mann er ist, nicht wahr? Seit zehn Jahren lebt er hier, und Sie wissen nicht das Geringste von ihm.“
„Aber Sie schon?“ Mrs. Karr wurde rot vor Ärger. „Vielleicht reden wir hier über zwei verschiedene Arten von ,Wissen*. Vielleicht war das Gerücht mit Joe Mackenzie doch nicht ganz unbegründet. Sie machen vielleicht nicht mit Joe Mackenzie rum, aber mit Wolf Mackenzie, was?“
Die Verachtung in den Worten der anderen Frau ließ Mary die Kontrolle verlieren. „Genau!“, schrie sie. „Aber leider ist es nie so weit gekommen, wie ich es mir wünsche!“
Ein allgemeines Luftschnappen war im Laden zu hören. Mary drehte sich um und sah in die schockierten Gesichter der Einwohner des Städtchens, die sich alle am Anfang des Warengangs versammelt hatten. Na, diesmal hatte sie es wirklich geschafft! Wolf wollte Abstand halten, und sie hatte soeben lautstark bestätigt, dass sie mit ihm „rummachte“. Dabei verspürte sie nicht die Spur von Scham. Nein, sie verspürte Stolz. Bei Wolf Mackenzie war sie nicht die altjüngferliche Lehrerin mit Katze, sondern eine Frau, verdammt noch mal. Sie fühlte sich nicht hausbacken, wenn sie mit Wolf zusammen war; sie fühlte sich weiblich und begehrenswert. Und wenn sie etwas bedauerte, dann, dass Joe tags zuvor nicht eine Viertelstunde später zurückgekommen war oder wenigstens fünf Minuten, denn mehr als alles andere auf der Welt wollte sie Wolfs Frau sein - in jeder Hinsicht. Sie wollte unter seinem kraftvollen Körper liegen, sich seiner Leidenschaft sehnsüchtig beugen und sich ihm hingeben. Wenn man sie dafür brandmarken wollte, weil sie einen Mann liebte, dann war alle Hoffnung für die menschliche Gesellschaft verloren.
„Ich denke, wir sollten eine weitere Schulversammlung einberufen“, meinte Mrs. Karr eisig.
„Wenn Sie das tun, ziehen Sie in Betracht, dass ich einen wasserdichten Vertrag habe“, schoss Mary zurück und drehte sich auf dem Absatz um. Sie hatte noch nicht alle Lebensmittel, die sie brauchte, aber sie war zu wütend, um den Einkauf zu Ende zu führen. Als Mary die Sachen vor der Kasse auf den Tresen legte, sah die Kassiererin so rebellisch drein, als wolle sie die Waren nicht verkaufen. Doch unter Marys Blick überlegte es sich die Frau dann doch noch.
Eine grimmige Zufriedenheit erfüllte Mary, als sie nach Hause marschierte. Das Wetter spiegelte ihre Stimmung wider, schwere graue Regenwolken wölbten sich am Himmel. Nachdem sie ihre Einkäufe verstaut hatte, sah sie nach Woodrow.
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