Das Land der Pelze
Minuten hatte sich der Boden mit einer dicken weißen Decke überzogen. In weniger als einer Stunde lag ein Fuß hoch Schnee, und da derselbe sich nicht hielt, sondern zu mürbem Kothe wurde, so kamen die Schlitten nur mit größter Anstrengung vorwärts. Ihr aufgebogener Vordertheil sank tief in die weiche Masse ein, welche sie stets aufhielt.
Gegen acht Uhr Abends steigerte sich der Wind zum Sturme. Der heftig fortgetriebene Schnee, der bald den Boden berührte, bald wieder in die Höhe geweht wurde, bildete nur noch einen dichten Wirbel. Die von den Windstößen zurückgeworfenen Hunde, welche durch das Schneetreiben blind waren, konnten nicht mehr vorwärts. Der Zug bewegte sich jetzt durch einen schmalen Engpaß, den hohe Eisberge flankirten, und durch welchen der Sturm mit schrecklichster Heftigkeit fegte. Vom Orkan abgerissene Stücken der Eisberge stürzten in den Hohlweg und machten den Durchmarsch sehr gefährlich. Sie bildeten ebenso viele partielle Lawinen, deren jede einzelne hingereicht hätte, die Schlitten und deren Insassen zu zerschmettern. Unter solchen Umständen konnte der Weg nicht weiter fortgesetzt werden. Jasper Hobson mußte sich ergeben. Nachdem er noch Sergeant Long’s Ansicht eingeholt hatte, ließ er Halt machen. Nun galt es aber einen Schutz vor den Schneewehen zu suchen, welche unerhört fortwütheten.
Männer, welche an Polarexpeditionen gewöhnt sind, konnte das nicht in Verlegenheit setzen. Jasper Hobson und seine Gefährten wußten sich in solchen Fällen zu helfen. Es war ja nicht das erste Mal, daß der Sturm sie, vielleicht einige Hundert Meilen von einem Fort der Compagnie, überfiel, ohne daß ihnen eine Eskimohütte oder ein Indianerwigwam zur Verfügung stand.
»Nach den Eisbergen! Nach den Eisbergen!« rief Jasper Hobson.
Der Lieutenant wurde von Allen verstanden. Es galt jetzt in den dichten Eismassen sogenannte »Schneehäuser« auszuhöhlen, oder vielmehr nur Löcher, in welche sich Alle während der Dauer des Sturmes bergen könnten. Die Axte und Messer waren schnell in Thätigkeit, die mürbe Masse anzugreifen.
Dreiviertel Stunde später schon war ein Dutzend Höhlen mit engen Eingängen ausgearbeitet, deren jede zwei bis drei Menschen aufnehmen konnte. Die Hunde wurden abgezäunt und sich selbst überlassen. Man überließ es ihrem Spürsinne, unter dem Schnee ein schützendes Obdach zu finden.
Vor zehn Uhr war das ganze Personal der Expedition in den Schneehäusern untergebracht. Man hatte sich zu Zweien und zu Dreien, zum Theil je nach Neigung, zusammengefunden. Mrs. Paulina Barnett, Madge und Lieutenant Hobson nahmen eine Hütte ein. Thomas Black und Sergeant Long vergruben sich zusammen in einer anderen Höhle. Die Anderen würfelte der Zufall zusammen.
Diese Zufluchtsorte waren, wenn nicht comfortabel, so doch wenigstens verhältnißmäßig warm, und man erinnerte sich dabei auch, daß die Eskimos und Indianer selbst in der strengsten Kälte keinen besseren Schutz haben. Jasper Hobson und die Seinen konnten den Sturm nun ruhig abwarten und hatten nur dafür zu sorgen, daß sich die Oeffnungen der Höhlen nicht mit Schnee verstopften, weshalb diese von einer halben Stunde zur anderen immer frei gelegt wurden. Während dieses Unwetters konnte Niemand einen Fuß in’s Freie setzen. Zum Glück aber hatten sich Alle hinreichend mit Proviant versehen, um dieses Biberleben, ohne von Frost oder Hunger gequält zu werden, auszuhalten.
Achtundvierzig Stunden lang nahm der Sturm an Heftigkeit zu. Der Wind heulte durch den Engpaß und entriß den Eisbergen ihre Gipfel. Ein Donner, den das Echo zwanzigfach wiedergab, bezeichnete den Sturz der Eislawinen. Jasper Hobson hatte allen Grund, zu befürchten, daß sein Weg durch herabgestürzte Eisblöcke ganz und gar versperrt sein möchte. Unter jenes Donnern mischte sich auch ein Brummen, über dessen Ursprung der Lieutenant nicht im Unklaren sein konnte, und er verhehlte der furchtlosen Mrs. Barnett auch nicht, daß Bären durch den Engpaß trotteten. Die mit sich selbst zu sehr beschäftigten Thiere entdeckten aber glücklicherweise das Versteck der Reisenden nicht. Weder die Hunde, noch die Schlitten, welche unter dichter Schneedecke vergraben waren, erregten ihre Aufmerksamkeit.
Die letzte Nacht, die vom 25. zum 26. Mai, war noch furchtbarer. Die Wuth des Orkanes nahm so zu, daß ein allgemeiner Einsturz des Eisberges zu befürchten war, denn man fühlte diese ungeheuren Massen in ihren Grundfesten erzittern.
Ein
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