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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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darauf bestehen, mit mir zu kommen, aber sie würde alles tun, um mich vom Gehen abzuhalten.
    Sie sagte nicht ohne Würde: »Bitte lüg mich nicht an. Du hast vor, zum Seelenrankenmoor zu gehen, oder nicht? Um dort… drüben nach deiner Mutter zu suchen. Bitte lüg mich nicht an!«
    »Du wirst deine Mutter suchen. Ganz gleich, was ich dir erzähle.«
    »Ja«, sagte ich so leise, dass sie den Kopf zu mir neigte, um es zu hören. »Ich gehe. Ich muss gehen, Maggie.«
    »Nein«, sagte sie einfach, »du entscheidest dich dafür.«
    Und darauf gab es keine Antwort. Sie zürnte nicht, sie stritt nicht, sie weinte nicht einmal, und ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass ich lieber eine dieser Reaktionen gesehen hätte als diese stille Gekränktheit, tief wie das Meer. Die Gänseblümchenkette lag in ihrem Schoß. Ihr Kopf war darüber gebeugt, und sie ließ ihre hellen, federnden Locken nach vorn fallen, damit sie ihr Gesicht verbargen. Sie blieb ruhig, so ruhig, dass sie bis auf die Anspannung ihres Halses auch hätte tot sein können. Sie hätte einer jener reglosen Toten auf der anderen Seite sein können, die ewig in ihren stillen Kreisen sitzen.
    Der Gedanke ließ mich frösteln. Ich konnte es nicht ertragen, sie so zu sehen– Maggie, die ein Bündel von Energie und Plänen war. Ich konnte es nicht ertragen.
    »Maggie…« Ich streckte meine eine heile Hand aus und legte sie ihr auf die Schulter.
    So schnell, dass sie mich überraschte, wandte sich Maggie um und schaute mich an. Es gab keine Tränen, aber sie legte die Arme um mich und hing an mir wie eine Ertrinkende an einem Floß. Ihr Mund atmete heiß neben meinem.
    »Dann, wenn du wirklich gehst, kannst du mir das nicht versagen. Ein letztes Mal, Peter. Ich sehe dich vielleicht niemals wieder. Das kannst du mir nicht versagen. Das kannst du nicht, oh, das kannst du nicht…«
    Und ich konnte es nicht. Ihre Qualen rührten meine Seele. Ihr Körper war warm und weich neben mir. Die Sonne schien heiß auf uns herab, das schwere Summen der Bienen brachte eine eigene Art von Entrückung mit sich, die duftenden Gräser raschelten in einer süßen Brise. Wir waren siebzehn, und mein Glied pochte voller Leben. Ich legte Maggie sanft auf die Wildblumen und hob den Rock ihres Kleides.
    Danach schlief sie. Jee und Schatten waren noch nicht zurückgekehrt. Leise nahm ich das bisschen, das ich brauchte, aus unseren Taschen und ließ sie dort zurück, schlafend auf dem sonnigen Hügel. Ich wandte meine Schritte nach Süden, um allein in die Unbeanspruchten Lande hinaufzusteigen.

7
    Am Abend hatte ich eine Hochlandwiese erreicht, ein winziges, flaches Grasland inmitten steiler, bewaldeter Hügel und aufragender Felsen. Beim letzten Mal, als ich durch diese wilde Landschaft gewandert war, hatte ich noch zwei Hände gehabt. Mit einer fand ich es sehr viel schwerer, selbst wenn ich mich auf einen starken Eichenast stützte, der mein Wanderstab war. Als es dunkel wurde, holte mich die Erschöpfung ein. Ich machte ein Feuer, aß etwas Brot und kaltes Lamm und wickelte mich in meinen Umhang, um zu schlafen. Schatten, der eine Stunde nach meinem Aufbruch plötzlich aufgetaucht war, legte sich neben mich. In seiner Gesellschaft, so dachte ich, würde ich leicht einschlafen können. Ich täuschte mich.
    Eine Stunde ging vorbei, während die Sterne hervorkamen und der Mond aufging, voll und rund und gelb wie ein guter Käse. Bis zu dieser Reise waren mehr als zwei Jahre vergangen, seit ich ohne Dach über dem Kopf geschlafen hatte. Der Nachthimmel ließ alle Arten von Gefühlen aufwallen, alle Arten von Erinnerungen: ich als Kind und Jugendlicher, unterwegs mit Tante Jo und dem Rohling, den sie geheiratet hatte, Hartah. Das, wozu Hartah mich auf den Sommerfesten gezwungen hatte, um ein paar Münzen von trauernden und leicht beeinflussbaren Dorffrauen zu ergaunern. Versteckt in unserem Zelt hatte ich ihren Geschichten über verlorene Mütter, Kinder, Ehemänner gelauscht. Dann hatte ich den Pfad der Seelen betreten, irgendeine alte Frau wachgerüttelt, damit sie mir Einzelheiten über die Familie erzählte, und war mit falschen Botschaften von der anderen Seite des Grabes zurückgekehrt, Botschaften voller Liebe und Glückseligkeit. Noch jetzt wurde mir heiß vor Scham, wenn ich mich an diese Lügen erinnerte.
    Aber was Hartah von mir verlangt hatte, war nichts verglichen mit dem, was ich als Königin Carolines Hofnarr für sie getan hatte. Und was ich ihr angetan hatte.
    So viele

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