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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Kuhmist ein Feld, und der stechende Geruch wurde von der abendlichen Brise herangetragen. Dort quakten Frösche neben einem Mühlenteich. Der Duft von Minze und Thymian drang von einem Kräuterbeet heran. Gänse, die über Nacht eingesperrt waren, schnatterten und beruhigten sich.
    Schließlich kamen wir in ein Dorf. Obwohl die Sommernacht warm war und der Mond voll, waren die Häuser alle verschlossen und verriegelt. Keine Frauen hielten am Brunnen einen Schwatz, keine Liebenden gingen Hand in Hand spazieren, keine jungen Leute tanzten auf dem Anger. Wir gingen an Gärten vorbei, die hinter bemalten Toren lagen, mit vom Mondlicht versilberten Malven, Rittersporn und Rosen, und betraten eines der Häuser.
    Zwei weitere Männer warteten dort. Und ich verlor die letzte Hoffnung, dass man mich nicht erkannte.
    Das Haus gehörte irgendeinem wohlhabenden Bauern. Es war zweistöckig, aus blassroten Ziegeln errichtet und anschließend mit Stroh gedeckt, das von Moos und Flechten grün geworden war. Wir standen in der Küche, deren Tür in der warmen Sommernacht offen stand. Ein sauberer, gefliester Boden, ein großes Kochfeuer, um das herum polierte Töpfe aus Kupfer und Zinn hingen. Kräuterbündel baumelten an Balken über unseren Köpfen. Eine Frau lebte hier, die fleißig für eine große Familie sorgte, aber weder die Frau noch die Familie waren im Augenblick anwesend. Ich roch Seife und Talg und Lavendel.
    Meine Mutter in ihrem lavendelblauen Kleid …
    Maggie in Sicherheit oder gefesselt und hilflos in einer der oberen Kammern?
    Motten umkreisen Windlichter, die in Halterungen an der Wand hängen.
    Ein Mann kommt auf mich zu, der sich mit dem Handrücken Bier vom Mund wischt.
    Meine kreisenden Gedanken ließen sich auf diesem Mann nieder, der mit einem Zinnkrug in der Hand zu mir kam. Er starrte mir aus nächster Nähe ins Gesicht, aber es war nicht nötig. »Ven«, sagte er zu den anderen. Und zu mir, in meiner eigenen Sprache und mit einem harte Akzent: »Roger, der Hofnarr der Königin.«
    Ich sagte nichts. Es gab nichts zu sagen.
    Zweieinhalb Jahre war es her, dass ich ihn zuletzt gesehen hatte, und er war damals ein Junge gewesen, ein Sänger mit einer Stimme so mächtig wie eine Kriegstrommel. Ich war dabei gewesen, als er Lord Soleks Armee mit seinem Gesang in den Thronraum des Palastes geleitet hatte, als die Wilden Königin Caroline ihre Aufwartung gemacht hatten, als sie ihre Keulen auf den Boden geschlagen und ein Schlachtlied gesungen hatten. Später hatte ich gesehen, wie er die Armee mit seinem Gesang in die Schlacht gegen die Soldaten einer konkurrierenden Königin geleitet hatte, eine Schlacht, die die Wilden mit ihren Gewehren und ihrer überlegenen Ausbildung mit Leichtigkeit gewonnen hatten. Der junge Sänger hatte eingeflochtene Zweige in seinem Haar getragen, und rote Farbe auf dem Gesicht, so wie ich gelbe Farbe als Hofnarr der Königin getragen hatte.
    Er war kein Sänger mehr. Keine Farbe, keine Zweige, keine Musik. Er war ein Krieger geworden. Aber ich war immer noch ein Narr.
    »Tel mit.«
    Der Leutnant des Sänger-Kriegers packte mich und schleifte mich zu einem schmalen, steilen Treppenhaus. Die beiden Männer, die mich hergebracht hatten, blieben unten. In dem Stockwerk darüber kamen wir an zwei Kammern vorbei, beide mit geöffneten Türen, beide leer. Maggie und Jee waren nicht in dem Haus. In einer dritten, nur wenig größeren Schlafkammer am Ende des Ganges schob mich der Leutnant auf einen Stuhl mit hoher Lehne und fesselte mich fachmännisch mit Seilen daran. Ich konnte weder die Arme noch die Beine bewegen. Der ehemalige Sänger folgte ihm gemächlich, immer noch den Krug in der Hand. Er leerte ihn und stellte den Krug auf eine polierte Eichentruhe. Er suchte nach Worten in einer Sprache, die nicht die seine war.
    »Du… töten… Solek.«
    »Nein.« Ich war nicht derjenige gewesen, der das Schwert in Soleks Körper gestoßen hatte, nicht derjenige, der seinen Kopf abgehackt und ihn über dem Osttor der Stadt auf einen Speer gesteckt hatte. Die Armee der Blauen hatte Ersteres getan, Lord Robert Hopewell Letzteres. Aber ich hatte die Armee der Blauen– in der die Wilden magische Illusionen sahen– zum Palast gebracht. Ich hatte sie von weiter hergeholt als es jeder, mich eingeschlossen, für möglich gehalten hätte: aus dem Land der Toten.
    »Ja«, sagte er. »Nun Tarek Sohn von Solek Sohn von Taryn…« Ihm gingen die Worte aus. Aber ich wusste, wen er meinte: den

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