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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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klammern können. Die beiden Wilden waren große Menschen, im Zenit ihrer Stärke und im besten Mannesalter, und der größere war mindestens vierzig Pfund schwerer als ich. Wenn ich ihnen weglief, würde ich mir nur Schmerzen einhandeln.
    Wie hatten sie mich gefunden? Hatten sie Maggie schon gefangen und sie zum Sprechen gezwungen? Maggie, die ich friedlich schlafend auf dem Hügel im Kleeduft zurückgelassen hatte. Sie würde mich nicht verraten, wenn sie sie nicht dazu zwangen. Aber unter Folter würde jeder alles ausplaudern. Und Jee mit seinen dünnen, kleinen Knochen…
    Ich stolperte und fiel schwer hin, weil ich mich mit nur einer Hand nicht abfangen konnte. Die Wilden hielten an und warteten, dass ich mich wieder aufrappelte. Sie berührten mich nicht. Ich kam stolpernd hoch, und wir setzten unseren Marsch den steilen Hang hinab fort. Während wir hinabstiegen, ragte der Berg hinter uns auf und sperrte die Sonne aus, sodass es schien, als würde sie bereits wieder untergehen.
    Wir waren unterwegs nach Norden, zurück zum Königinnenreich. Nach Haryllburg? Angst um Maggie und Jee polterte wie sommerlicher Donner durch mein Inneres.
    Nach einigen Stunden hielten die Wilden an, um zu essen. Sie ließen mich aus meinem Wasserschlauch trinken und Käse aus meinem Gepäck holen. Meine Kehle war so ausgedörrt, dass mir das Schlucken schwerfiel. Die Wilden, die sogar miteinander wenig redeten, schienen nach dem halbtägigen Marsch durch raues Gelände keine Müdigkeit zu spüren. Ich hatte gedacht, ich wäre von den langen Stunden der Arbeit im Gasthaus abgehärtet, aber sich um Schafe zu kümmern und Bretter zusammenzunageln war kein Vergleich mit den Leistungen, die diese Männer wohl erbringen mussten. Und genauso wenig ließ sich die nun gemütlich wirkende Marschgeschwindigkeit, die Maggie, Jee und ich von Apfelbrück aus an den Tag gelegt hatten, mit der jetzigen vergleichen. Zehn Minuten, um zu essen und die Wasserschläuche an einem flinken Bach neu aufzufüllen, und wir waren wieder unterwegs.
    »Alt!«, rief einer der Wilden, riss sein Gewehr von der Schulter und schoss. In zwanzig Schritt Entfernung war ein Reh aus der Deckung gebrochen und wurde in die Luft geschleudert, um dann zurück auf den Boden zu fallen.
    Es war das erste Mal, dass ich aus der Nähe gesehen hatte, wie ein Gewehr abgefeuert wurde. Das schreckliche Geräusch hallte von den Bergen wider. Das Reh war tot, sein Kopf blutig. Das war die Waffe, die Lord Soleks Armee schon einmal zur Herrschaft über das Königinnenreich verholfen hatte; und offensichtlich wollten sie es ein weiteres Mal erobern, denn diese Soldaten machten sich keine Mühe, ihre Anwesenheit vor den umliegenden Bauernhöfen geheim zu halten. Meine Ohren waren immer noch taub vom Gewehrschuss. Schwerter waren dem nicht gewachsen.
    Der Wilde häutete das Reh und nahm es mit seinem kurzen Messer aus. Das war ein nützlicher Hinweis: Anders als Lord Soleks Messer, das mich die Hand gekostet hatte, war dieses nicht in Gift getaucht. Der Wilde war dabei sogar noch rascher als Maggie, wenn sie Kaninchen häutete. Das Wild war schneller zerteilt, eingesalzen und in seinem Gepäck verstaut, als ich es für möglich gehalten hätte.
    Selbst eine so kurze Rast war mir willkommen. Aber dann waren wir wieder unterwegs, und nun hatte ich einen weiteren Brocken Wissen gesammelt. Die Sonne ging im Westen unter, und sie färbte den Himmel hinter uns, nicht vor uns. Wir marschierten nach Nordosten, auf das Meer zu. Ich war aus südöstlicher Richtung in die Unbeanspruchten Lande hinaufgestiegen. Also waren wir nicht zu dem Dorf unterwegs, in dem ich Maggie und Jee zurückgelassen hatte, sondern zu einem Ort weiter im Osten. Natürlich konnten die Wilden sie trotzdem gefangen und nach Osten verschleppt haben, aber weshalb sollten sie das tun, anstatt mich zu ihnen zu bringen? Daher hoffte ich, dass Maggie in Sicherheit war, dass die Wilden mich nicht erkannten, dass man mich vielleicht gehen ließ.
    Vor Erschöpfung schmerzte mein Körper bis ins Mark. Mehr als einmal dachte ich, ich könnte nicht weitergehen, meine Beine würden mich nicht weiter tragen. Die Wilden hielten mich jedoch auf Trab, und das in noch schnellerem Tempo, sobald das Land flacher wurde. Wir befanden uns nun deutlich innerhalb der Grenzen des Königinnenreiches. Durch die Düsternis der Dämmerung sah ich überall um mich herum in diesem fruchtbaren Tal Reichtum. Mehr sogar roch und hörte ich ihn noch. Hier düngte

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