Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
körperlichen Belangen gut. Er hatte sich das Gesicht im Tümpel gewaschen, sein helles Haar gekämmt und sich eines der Gewehre auf den Rücken geschnallt. Er sah männlich und zuversichtlich aus. Fia saß ein Stück abseits neben einem fauchenden Lagerfeuer, auch wenn es erst kurz nach Sonnenuntergang war und nicht einmal die ersten Sterne erschienen waren.
Tatsächlich sah sie aus, als würde sie die Wärme brauchen. Tom hatte seinen Umhang– der bis jetzt mein Umhang gewesen war– dicht am Feuer ausgebreitet. Sie saß mit gebeugtem Kopf darauf, die Schultern in dem schmutzig braunen Kleid hingen herab. Ihr schmaler Körper wirkte beinahe, als könnte er den Kummer dieses geneigten Halses und der herabgesunkenen Schultern nicht tragen. Während ich sie aus dem Augenwinkel beobachtete und nebenher Toms Plänen lauschte, bebten ihre Schultern, vielleicht von einem einzelnen, stillen Schluchzen.
»…und dann können wir– Roger, du hörst nicht zu!«
»Doch, tue ich.« Und das tat ich, ich gab auf jede kleine Betonung acht, unsicher, wie und wann Tom mich für meine Lügen bestrafen würde. Er nannte mich sonst nur »Roger«, wenn er an meinen Verrat dachte. Aber nachdem er mich als »Roger« vorgestellt hatte, musste er in Fias Gegenwart auch bei diesem Namen bleiben. »Es ist ein guter Plan.«
»Ja, eben«, sagte er voller Zufriedenheit.
»Was, wenn sie ihr Gedächtnis nicht wiederfindet?«
»Oh, das wird sie«, sagte er zuversichtlich. »Will Larkin hat es auch geschafft. Und dann war er ein genauso großer Pisspott wie vorher. Jedem in Almsburg ist er lieber gewesen, als er nicht gewusst hat, wer er war.« Er blickte zärtlich auf Fia. »Komm, erzählen wir es ihr.«
Der Plan wurde erläutert. »Nein«, sagte Fia.
»Nein?« Tom schien ehrlich erschüttert; dass sie dagegen sein könnte, war ihm nicht in den Sinn gekommen. »Wie nein?«
»Nein, ich kann nicht hier in diesem… diesem wilden Land bleiben. Ich muss ins Königinnenreich gelangen.«
Ich starrte sie an. Allein das Wort »Königinnenreich« wirkte in ihrem Hochlandakzent merkwürdig. Ich hätte mein Leben darauf versetzt, dass sie niemals dort gewesen war. Sie kam aus den Unbeanspruchten Landen, oder sogar aus dem Seelenrankenmoor. Sie hatte die gleichen grünen Augen wie Cecilia, wie der alte Mann in Hygryll, der…
Denk nicht daran.
…aber auf der anderen Seite machte sie Knickse wie eine Kammerfrau. Wer war sie?
Tom sagte verblüfft: »Ins Königinnenreich?«
»Ja.«
»Du?«
Sie lächelte dünn. »Ich.«
»Aber weshalb?«
»Ich weiß nicht.« Sie blickte Tom fest an, mir warf sie nicht einmal einen Blick zu. »Ich weiß nur, dass ich gehen muss.«
»Hast du Familie im Königinnenreich?« Auf seine Stirn traten tiefe Falten. Er bemühte sich, so sehr er konnte, es zu verstehen.
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich glaube… ich glaube, ich bin dort vielleicht eine Schäferin gewesen.«
»Oh.« Ihm schien nichts mehr einzufallen, was er darauf hätte sagen können.
Ich fragte: »Wird deine Erinnerung deutlicher, Fia? Glaubst du deshalb, dass du vielleicht eine Schäferin gewesen sein könntest?«
»Ich weiß nicht.« Sie blickte mich noch immer nicht an.
»Weshalb dann?«
»Ich… ich glaube manchmal Schafe zu sehen, Böcke und Lämmer…«
»Eine Herde«, sagte ich.
»Ja.«
»Eine kleine Herde?«
Nun wandte sie ihren Blick zu mir, und unter diesem klaren Blick vernebelte sich mein Verstand, während mein Glied steif wurde. Ich spürte, wie ich rot wurde. Sie musste meine Erektion bemerken, ganz sicher fiel es ihr auf.
»Ja«, sagte sie sanft, »eine kleine Herde.«
»Schafe«, sagte Tom voller Ekel. »Ich hasse Schafe.« Aber dann wurde er fröhlicher. »Aber du bist nicht stark genug, um den ganzen Weg ins Königinnenreich zu schaffen.«
»Ich bin stärker, als ich aussehe.« Sie wandte ihr Gesicht erneut Tom zu, und ich konnte wieder atmen. »Du wirst sehen. Wir sollten jetzt nach Norden aufbrechen.«
»Jetzt?« Seine Pläne lösten sich auf. Er hatte sich vielleicht einen gemütlichen Abend am Feuer ausgemalt, an dem ich früh einschlief, während er bei Mondlicht und flackernden Flammen vertraut mit Fia schäkerte. Und wer weiß, was danach hätte geschehen können?
Sie meinte: »Nun, vielleicht können wir morgen aufbrechen.«
Ich sagte: »Ich kann nicht ins Königinnenreich reisen.«
Es war kurz still.
Tom brach die Stille, die Begeisterung war zurück in seiner Stimme: »Nein, verdamm mich, das kann er
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