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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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Hütte von Jees Familie zu gehen. Damit blieb ich in einem Tagesmarsch Entfernung vom Seelenrankenmoor. Außerdem blieb ich weit genug im Süden, sodass mich– wie ich hoffte– die Soldaten des Junghäuptlings nicht finden würden. Alles, was ich tun konnte, war, Fia so lange wie möglich in der Hütte zu halten. Ich hatte keine Ahnung, wie lange das sein würde. Sie schien entschlossen, ins Königinnenreich zu reisen. Wie konnte jemand ohne Erinnerungen ein Ziel haben?
    Ich beobachtete das Spiel des Sonnenlichts auf den weichen schwarzen Wogen ihres offenen Haars.
    »Fall nicht über den großen Stein dort«, sagte Tom. »Bist du müde?«
    »Gar nicht.« Und über die Schulter fragte sie: »Roger? Bist du müde?«
    Ich war müde, ja. Ich war wund. Meine Füße taten weh, und der Stumpf meiner Hand und mein Herz. Fias Kleid fing sich in einer Beerenranke, und Tom löste es für sie. Er hatte einen starken, heilen Körper, ein hübsches Gesicht und blondes Haar.
    Am späten Nachmittag kamen wir an der Hütte neben dem Wasserfall an. Fia betrachtete sie eingehend und sagte: »Hmmmm.«
    Tom und ich blickten uns gegenseitig an. Was hatte »Hmmmm« zu bedeuten?
    »Hmmmm«, wiederholte Fia. »Nicht einmal für Ziegen geeignet.«
    Tom, der versuchte, geistreich zu sein, sagte: »Zum Glück haben wir keine Ziegen.«
    »Menschen können hier nicht leben.«
    Ich erzählte ihr nicht von den Leuten, die es getan hatten.
    »Es sind noch ein paar Stunden Tageslicht«, sagte Fia. »Wir könnten weiterreisen. Wenn wir… Was war das?«
    Tom sagte: »Ich habe nichts gehört.«
    Aber ich hatte etwas gehört. Das Geräusch wiederholte sich, fern und schwach. Fia blickte verdutzt, und ich wusste wieder ein wenig mehr über sie. Sie war letztlich doch nicht aus dem Königinnenreich gekommen, zumindest nicht in letzter Zeit.
    Sie sagte: »Was ist das für ein merkwürdiges Geräusch?«
    »Gewehre«, antwortete ich.
    Wir hörten die Gewehre an diesem Tag nicht wieder. Vielleicht hatte eine Jagdgesellschaft der Wilden auf Beute geschossen; Soldaten mussten essen wie jeder andere auch. Oder vielleicht waren irgendwelche Leute aus den Unbeanspruchten Landen an Gewehre gekommen, genauso wie Tom, und machten davon Gebrauch. Oder vielleicht suchten die Späher des Junghäuptlings tatsächlich immer noch nach mir.
    »Ich werde nicht weitergehen«, sagte ich zu Fia. »Ich kann nicht.« Soldaten im Norden, das Seelenrankenmoor im Süden, und ich in der Mitte, voller Furcht vor beidem. Ich wusste nicht, was ich letzten Endes tun würde, aber ich wusste, dass ich es nicht jetzt tun würde. Nichtstun schien meine sicherste Wahl zu sein. In den Bergen trägt Lärm über weite Strecken, hallt von Felswänden wider und wird von Schluchten verstärkt. Die Soldaten– wenn es Soldaten waren– konnten sehr weit weg sein. Oder auch nicht.
    Fia sah mich nicht an, als ich sprach; anfangs dachte ich, sie hätte mich gar nicht gehört. Sie blickte weiterhin auf das marode Dach der Hütte. Dann ging sie nach drinnen und blickte durch das Loch im Dach zum Himmel hinauf. Tom und ich liefen hinter ihr her.
    »Hmmmm«, sagte sie.
    »Süße«, schlug Tom vor, »wenn ich uns ein Feuer in dem Kiefernhain dort drüben mache und…«
    »Diese Hütte kann man gemütlich für uns herrichten«, sagte Fia.
    Ich blinzelte. Tom wirkte verwirrt, was auch kein Wunder war. Hatte sie nicht gerade gesagt, dass sie nicht einmal für Ziegen gut genug war? Sie wandte sich zu uns beiden um und schenkte uns ihr zauberhaftes Lächeln. »Du hast recht, Tom«, sagte sie. »Ich bin müder, als ich dachte. Sobald wir aufgehört haben, uns zu bewegen, hat mich die Erschöpfung eingeholt. Ich denke… ich denke, dass ich vielleicht krank werde. Macht es euch etwas aus, wenn wir ein paar Tage hierbleiben?«
    »Natürlich nicht, Süße!« Tom sah aus, als würde er mit ihr ein paar Tage, ein paar Monate oder ewig hierbleiben. Fia sank anmutig zu Boden.
    »Wenn ich ein wenig Wasser haben könnte…«
    Er lief nach draußen, um den Wasserschlauch zu holen. Fia blickte zu mir auf, und ihr Lächeln war fort, ersetzt von einer so traurigen Miene, dass ich nur dumm dastehen konnte. In solchen Augenblicken erinnerte sie mich so stark an Cecilia, dass es wie ein Schlag war. Und doch hatte Cecilia nie eine solche Traurigkeit zur Schau gestellt. Fia war etwas anderes, aber ich wusste nicht, was.
    »Fia«, sagte ich leise, »wer bist du?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie und schüttelte den Kopf,

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