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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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herausfanden, dass sie mich kannte…
    Angst ist, ebenso wie Schuld und Argwohn, keine Hilfe, wenn ein Mann mit einer Frau schlafen will.
    Fia hatte endlos Geduld mit mir. Aber während die Tage vergingen, bekam ihre Geduld einen verzweifelten Unterton. Tom ging es stetig besser. Er schlief weniger. Er fing an, Fia und mich zu beobachten.
    »Roger, schläfst du mit ihr?« Das gefährliche Glitzern war wieder in seinen Augen, und wieder einmal war ich »Roger«.
    Ich sagte wahrheitsgemäß: »Nein.«
    Sein Gesicht hellte sich sofort auf. »Ich wusste, dass du es nicht tust. Ich wusste, dass du dein Wort mir gegenüber nicht brechen würdest. Verdammt, vergib mir, dass ich auch nur für einen Augenblick an dir gezweifelt habe. Es ist diese dumme Katzenpisse-Krankheit, die dafür sorgt, dass ich nicht ich selbst bin. Ich hasse sie!«
    »Dir wird es bald besser gehen«, sagte ich, weil ich etwas sagen musste, und ich hatte keine Ahnung mehr, was stimmte und was nicht.
    An diesem Abend war Tom beim Abendessen wach. Fia hatte etwas Neues zubereitet: kleine Kuchen aus dem Nussmus, das sie vierzehn Tage lang fleißig gemahlen und gehortet hatte. Die Kuchen waren in Blättern auf dem Ofen gebacken und mit dem Honig gesüßt, den sie den Bienen gestohlen hatte. Ein jedes der drei Stücke war mit Beeren verziert, die in verschiedenen Mustern angeordnet waren. Die Kuchen dufteten herrlich und eigentümlich, wie aus allen Träumen, die ein Hungriger haben mochte.
    »Wie wunderbar!«, rief Tom. Er saß auf einem Baumstamm an unserem Steintisch und wirkte beinahe wie sein altes, robustes Selbst. Wir aßen später zu Abend als sonst, weil es so lange gedauert hatte, bis Fia ihre Kuchen gebacken hatte. Zwei Windlichter erhellten jeden Winkel der Hütte. Sie warfen unheimliche Schatten in dem düsteren Raum. In ihrem gedämpften Glühen sah Tom sogar noch größer aus, als er war, und Fia noch begehrenswerter. Sie saß mit niedergeschlagenen Augen da, hielt ihren Honigkuchen, und ihre Wimpern warfen spinnenhafte Schatten über die blassen Wangen. Tom verschlang seinen Kuchen in zwei Bissen, und sein Blick fiel auf meinen. Hastig aß ich ihn und ließ mir die Süße langsam auf der Zunge zergehen.
    »Verdamm mich, Süße«, sagte Tom, »aber du bist ein Schatz! Und es ist ein Wunder, dass dich diese Bienen nie stechen. Sie würden mich ein Dutzend Mal durchlöchern, wenn ich mich ihrem Stock auch nur auf eine Feldlänge nähere. Isst du das noch oder nicht, Fia? Verdamm mich, du hast nicht mehr als einen Krümel gegessen!«
    Sie lachte und hielt ihm ihren Kuchen hin. »Ich bin nicht hungrig. Du kannst ihn haben.«
    Das tat er. Wir lachten und unterhielten uns eine Weile, wir drei, und die ganze Zeit über wurde Tom immer größer. Ich verstand nicht, wie das sein konnte. Plötzlich füllte er die ganze Hütte aus, dann schrumpfte er auf einmal wieder zu einem Mann von gewöhnlicher Größe. Die Windlichter wuchsen bis zur Decke und schrumpften auf nicht mehr als glühende Flammen zusammen, deren Licht über den Boden tanzte, und dann über Fias weiße Arme, die sich rosarot und golden und orange färbten. Ich bewunderte sie, während Tom sagte: »So müde… nur einen Augenblick ausruhen… müde…«
    Er stolperte zu seinem Lager und fiel darauf, und die Kiefern umfingen ihn sanft und begannen zu summen. Ich kannte ihr Lied; ich hatte es schon einmal gehört; ich hatte es fast im Kopf. Aber dann führte mich Fia nach draußen, und wir waren im Kiefernhain.
    Der Kiefernhain, war ich hier nicht schon einmal gewesen? Ich war hier gewesen mit… mit…
    »Roger«, hauchte Fia und hatte ihr Kleid schon halb ausgezogen; ihre weißen Brüste leuchteten im Mondlicht, das zwischen den dunklen Kiefernzweigen hindurchfiel.
    Da nahm ich sie, mit einer Wildheit, von der ich nicht gewusst hatte, dass ich dazu fähig war, und mit einer Freude, die ich genauso wenig gekannt hatte. Wir liebten uns einmal, zweimal, und als ich verausgabt auf den duftenden Kiefernnadeln lag, Fia in meine Arme geschmiegt, flüsterte sie mir ins Ohr:
    »Roger, Liebster, wirst du mir etwas versprechen?«
    »Alles«, sagte ich und meinte es ernst, obwohl mir die Kiefernzweige über uns Schwierigkeiten bereiteten– sie schrumpften und wuchsen und schrumpften wieder. Erst waren sie große, schützende Arme, die summten, und dann waren sie bloße Zweige, stumm. Wie seltsam! Und doch war es auch nicht seltsam: Es war genau, wie es sein sollte. Alles war genau, wie es sein

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