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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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hatte sie gar nicht ausgeübt, aber Mutter Chilton hatte dennoch einst eine Menge auf sich genommen, um sie aus dem Palast und in die Unbeanspruchten Lande zu schmuggeln. Fia war eine Heilerin gewesen und vielleicht mehr. Mutter Chilton hatte gewusst, dass ich in Apfelbrück war, und vielleicht hatte sie einen Stärkungstrank bei dem Habicht benutzt– wie sie es vor zwei Jahren einmal bei mir getan hatte–, um es dem Vogel zu ermöglichen, einen Stein durch meinen Kamin fallen zu lassen.
    Ich steckte die Miniatur in meine Tasche und trug Fias Kleider eine halbe Meile weit in den Wald, um sie in einem Dickicht voller Laub zu vergraben. Ich hegte keinen Zweifel, dass Tom, ein weitaus besserer Spurenleser als ich, ihrer Spur zu dieser Senke folgen würde, aber er würde kein Interesse daran haben, meiner Spur zu folgen.
    Dann ging ich zurück nach Hause, um zu sehen, ob Tom aus dem von Drogen verursachten Schlaf wieder erwacht war, den Fia ihm anstelle ihres Körpers hatte zukommen lassen.
    Er war wach und hatte sich ganz erholt. Er stand vor der Hütte, die Hände in den Hüften, und funkelte mich an. »Wo bist du gewesen?«
    Ich spielte den Überraschten. »Ich habe natürlich die Fallen überprüft. Wie ich es jeden Morgen mache. Aber heute gibt es kein Wild.«
    »Wo ist Fia?«
    »Fia? Ist sie nicht hier bei dir?«
    Er verzog unsicher das Gesicht. »Nein, ich dachte… Ist sie nicht bei dir?«
    »Nein. Nun ja, dann muss sie wohl beim Pflanzensammeln sein.«
    »Oh! Ich habe gedacht…«
    »Was?« Ich konnte die falsche Unschuld auf meinem Gesicht spüren, als wäre sie eine erstickende Maske.
    »Nichts«, sagte Tom allzu herzlich. Aber er war nie gut darin gewesen, etwas zurückzuhalten. Er stieß hervor: »Verdamm mich, ich habe gedacht, dass sie bei dir war! Eigentlich habe ich mich diese Woche sehr seltsam gefühlt, Peter. Und letzte Nacht habe ich gedacht, dass ich endlich Fia ins Bett bringen würde, aber dann bin ich eingeschlafen, als hätte ich die ganze Nacht lang mit den Jungs im ›Schafsbock und Krone‹ getrunken! Aber jetzt fühle ich mich gut. Komm– ich muss dir etwas zeigen. Hinter der Hütte!«
    Ich folgte ihm zögerlich, erfreut, dass er mir meine Geschichte abgenommen hatte, aber ich wollte allein sein und um Fia trauern. Weshalb hatte sie es getan? Weshalb hatte sie die Ewigkeit aufgegeben– selbst eine Ewigkeit, in der man still im Land der Toten saß–, um vierzehn Tage in den Unbeanspruchten Landen zu verbringen? Was wusste ich noch nicht?
    Offenbar wusste ich gar nichts. Ich war so ahnungslos wie Tom, und viel beunruhigter. Er strahlte, als er mich hinter die Hütte zu einem ausgewachsenen Reh führte, einem Bock mit Sommergeweih, der tot umgefallen war. Aber in seinem Fleisch steckte kein Pfeil, und Tom hatte ohnehin keinen Bogen. Ich musste mich hinkauern und genau hinschauen, um das eine kleine Loch im Schädel zu finden, zwischen den starrenden Augen des Tieres.
    Ich sagte: »Du hast es mit einem Gewehr getötet!«
    »Und ich habe es mit dem zweiten Schuss erwischt! Pfeffer mir einer den Arsch, aber ich bin vielleicht gut!«
    »Du dummer Trottel!«
    Toms rascher Wandel von stolzer zu verwirrter und schließlich zorniger Miene wäre beinahe komisch gewesen, wenn mir der Sinn nach etwas Komischem gestanden hätte. Dem war aber nicht so. Er sagte aufgeregt: »Nenn mich nicht so! Ich habe uns einen Rehbock besorgt, und Fia wird das Fleisch für ihre Eintöpfe verwenden.«
    »Deine Dummheit mit dem Gewehr wird die Soldaten der Wilden herbeilocken!«
    »Ach, Katzenpisse. Wir haben vierzehn Tage lang keine Soldaten mehr gesehen. Sie kommen nicht so weit in die Unbeanspruchten Lande. Das weißt du.«
    Ich wusste es nicht. Aber Tom hatte die Fähigkeit zu glauben, was immer er wollte. Auf einmal sah ich meine Gelegenheit, ihn sowohl zu schützen als auch loszuwerden. Ich sagte: »Ich glaube, dass sie herkommen werden. Angelockt von dem Gewehr krach.«
    »Nun, selbst wenn sie das tun, ich kann mich verteidigen.«
    »Ich nicht.«
    Sein Zorn verflog so schnell, wie er gekommen war. »Ich werde dich verteidigen, Peter. Du weißt das.« Er lächelte mir zu, selbstsicher und groß und vollkommen dummköpfig.
    »Ich kann das Risiko nicht auf mich nehmen. Ich gehe jetzt.«
    »Du gehst? Wohin gehst du?«
    »Fort. Hier ist es nicht sicher.«
    »Aber… aber… wo gehst du hin?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich verschwinde.« Ich ging in die Hütte und packte den Wasserschlauch und etwas vom verbliebenen

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