Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
Vom Netzwerk:
gefallenen Baumstamm ein gutes Stück abseits der Hütte und tat, da ich nichts zu tun hatte, gar nichts. Aber das konnte ich nicht lange ertragen. Und ein Gedanke, monströs und schrecklich, hatte sich in meinem Verstand festgesetzt. Ich musste die Antwort wissen.
    Aber es gab natürlich nur einen möglichen Weg, sie herauszufinden. Und ich hatte Angst vor diesem Weg. Dreimal zog ich mein kleines Rasiermesser heraus, um mich zu stechen und den Pfad der Seelen zu betreten, und dreimal hielt ich inne. Ich hatte Angst, wieder ins Land der Toten zu gehen.
    Jene Gestalten im Nebel, jene Frau, die meinen Namen in einem Tonfall aussprach, dass mir das Blut gefror… Es war eigentlich nicht Fia, die mich davon abhielt, wieder den Pfad der Seelen zu betreten. Ich selbst war es.
    Daher saß ich auf meinem Baumstamm, elend und feige, und spät am Nachmittag schlurfte ich zurück zur Hütte. Fia, die auf der Suche nach mir war, kam an den Rand der Lichtung gelaufen. »Roger! Wo bist du gewesen? Weshalb warst du so lange weg? Tom ist sehr krank, und ich kann ihn nicht selbst tragen!«

19
    Tom lag neben dem Badeteich auf dem Boden. Seine Zunge war auf das Dreifache ihrer üblichen Größe angeschwollen und füllte seinen Mund ganz aus. Seine Augen waren zugeschwollen. Er stöhnte vor Schmerz, und immer wieder zogen sich seine Glieder hilflos zusammen. Ich kniete mich neben ihn. »Tom, was ist passiert?«
    Stöhnen.
    Fia sagte: »Wir haben gerade den Teich inspiziert, als ihn die Krankheit überkommen hat. Ich glaube… Hat Tom im Wald irgendwelche Pilze gegessen?«
    »Ich weiß nicht.« Es war möglich. Bei Tom war jede unbedachte Tat möglich. »Hast du so eine Krankheit schon einmal erlebt, wenn jemand Pilze gegessen hat?«
    »Ich… ich denke schon. Auf jeden Fall weiß ich irgendwie, was man dagegen tun kann.«
    »Woher weißt du das?«, fragte ich offen.
    »Keine Ahnung. Vielleicht bin ich früher eine Heilerin gewesen?«
    »Und eine Schäferin und eine Kammerzofe und ein Küchenmädchen.«
    Sie blickte von Tom, der stöhnte und nicht bei Bewusstsein war, zu mir. Ihr hübsches Gesicht verzog sich vor Kummer. »Roger, bist du mir böse?«
    Ja. Nein. Ich hatte keine Ahnung, nur dass es weniger Zorn als Angst war. Aber alles, was ich sagte, war: »Die Sonne scheint ihm voll in die Augen. Wir müssen ihn nach drinnen bringen.«
    Es brauchte uns beide, um Toms Masse zu bewegen. Ich nahm seine Arme, und Fia, die stärker war, als sie aussah, nahm seine Beine. Irgendwie schafften wir ihn nach drinnen, und ich schichtete das Feuer auf. Tom hatte angefangen, unbeherrschbar zu zittern und vor Schmerz aufzuschreien.
    Fia sagte: »Ich kann ihm einen Tee machen, der zumindest seine Zunge verkleinern wird.«
    »Mach es!« Ich wusste nicht, was man sonst für ihn tun konnte. Ich wusste gar nichts.
    Sie kochte den Tee aus ihrem Vorrat an gesammelten Pflanzen, und zusammen träufelten wir ihn ihm in den Rachen. Innerhalb weniger Minuten fing Toms Zunge an zu schrumpfen, was ihm etwas Erleichterung brachte. Er wurde still und schlief dann ein. Ich lockerte seinen Gürtel und zog sein Hemd nach oben, mein Herz hämmerte dabei. Aber es gab keinen Ausschlag, keine Pusteln, keine Verfärbung auf seiner breiten Brust. Es war nicht die Pest.
    Ich sagte: »Ich glaube, vielleicht waren es letztlich wirklich Pilze.«
    »Ich glaube es auch«, sagte Fia und fing an zu weinen.
    Ich legte den Arm um sie, und so passierte es– oder vielmehr passierte es nicht.
    Sie drehte sich in meinen Armen zu mir, und ihre Tränen flossen stark und still, nässten meine Schulter. Ich versuchte zu sagen: »Er wird nicht sterben«, denn Tom schlief bereits tief, und sein Gesicht wirkte schon fast wieder normal; und überhaupt, wenn die Pilze von einer Sorte gewesen wären, die ihn tötete, dann hätte er Magenkrämpfe gehabt und sich übergeben. Aber es waren meine Worte, die abgetötet wurden, denn Fia hob den Kopf und küsste mich.
    Bei der ersten Berührung ihrer weichen Lippen auf meinen bekam ich einen Ständer, der hart wie Stein war. Ihre Brüste pressten sich an meinen Körper. Ihre Hand griff nach mir, und ich fand meine Stimme, auch wenn sie heiser klang. »Nicht hier…« Nicht neben Tom, der sie auch begehrt hatte, obwohl er jetzt bewusstlos dalag.
    Fia nickte, nahm mich bei der Hand und führte mich hinaus und ein kleines Stück von der Hütte weg. Sie legte die Arme um mich und küsste mich wieder. Wir sanken zu Boden, küssten uns wild, und ich

Weitere Kostenlose Bücher