Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
und er warf mir bedeutungsvolle Blicke zu: Lass uns allein! Aber ich fand keine Gelegenheit dazu, und Fia bestand darauf, dass wir weiterspielten.
»Das war ein sehr guter Zug, Roger«, sagte sie zu mir, und mein Herz glühte so lange, bis ich einen Blick auf Toms Gesicht erhaschte. »Ich kann kaum glauben, dass du es noch nie gespielt hast.«
Aber sie wusste, dass wir es noch nie gespielt hatten; sie hatte nicht einmal gefragt, ob wir die Regeln kannten, ehe sie sie erklärt hatte. Es war ein ausländisches Spiel, das von dort kam, wo immer Fia herstammte, und sie wusste bereits, dass es den Leuten aus dem Königinnenreich fremd sein würde. Woher?
Tom verlor seinen letzten Stein. »Gute Nacht«, sagte er plötzlich, ohne sich die Mühe zu machen, seine Demütigung oder sein Missvergnügen zu verbergen. Der Blick, den er mir zuwarf, war unschön. »Werdet ihr beide noch sehr lange spielen?«
Ich verstand ihn. »Nein, ich bin auch müde. Gute Nacht!« Ich ging zu meinem Lager aus Kiefernzweigen, mein Gesicht der Wand der Hütte zugewandt. Eine Spinne wob ein paar Fingerbreit von meinen Augen entfernt ihr Netz.
»Dann also gute Nacht«, sagte Fia und ging zu Bett, in Toms Umhang gehüllt, als wäre er eine uneinnehmbare Festung.
Tom fluchte leise im Dunkeln. Ich beobachtete die Spinne. Sie hatte eine Fliege gefangen und wickelte sie langsam und sicher in seidene Schlingen ein.
Am Morgen war Tom nach außen hin fröhlich, nachdem seine naturgegebene Selbstsicherheit wieder in den Vordergrund seines Denkens getreten war, aber etwas vom Zorn der letzten Nacht war unter der guten Laune verblieben. Bei der ersten Gelegenheit zuckte sein Kopf Richtung Fia, und er blinzelte mir zu. Ich machte mich auf, um die Fallen zu überprüfen, ehe Fia mich bitten konnte, stattdessen etwas anderes zu tun. Während ich unterwegs war, diesmal ohne meinen Stab, betastete ich Schattens Halsband in der Tasche meines Hemdes. Einmal zog ich es sogar heraus und blickte auf die seltsamen Zeichen, die in das Leder gebrannt waren. Ich vermisste Schatten. Ich vermisste Wolle.
Der Vormittag brachte mir zwei Kaninchen und ein wundes Herz ein.
Aber Tom kam nicht zum Ziel. Als ich mittags zur Hütte zurückkehrte, schwitzte er schwer, weil er gleich unterhalb des Wasserfalls einen Damm gebaut hatte, um den Bach zu stauen und den seichten Teich zu vertiefen. »Kein Glück«, knurrte er. »Sie ist schlüpfrig wie ein eingefetteter Pfosten, dieses Mädchen! Und sie war wieder den ganzen Vormittag fort, ›Essen sammeln‹, und hat mir diese dumme Arbeit aufgetragen– einen ›Badeteich‹! Weshalb braucht sie einen Badeteich? Man sollte nicht öfter als ein paarmal im Jahr baden. Das ist nicht gesund.«
Fia badete jeden Tag, aber keiner von uns sah sie dabei. Der Badeteich war, wie sich herausstellte, für uns. Fia erwartete, dass wir uns täglich wuschen. Außerdem erwartete sie, dass wir es taten, während sie auf ihrer morgendlichen Sammelrunde war, von der sie diesmal mit weiteren Eiern, weiterem Grünzeug für Salat, Knollen von Hundszahnlilien, die man in den Kohlen rösten konnte, und noch mehr Nüssen, Beeren und seltsamen Kräutern zurückkehrte und sogar mit ein wenig Wildhonig.
»Wie hast du es geschafft, den Bienen das wegzunehmen?«, fragte ich, während mir das Wasser im Munde zusammenlief. »Haben sie dich nicht gestochen?«
»Nein«, sagte sie mit ihrem traurigen, hübschen Lächeln, aber ohne Erklärung. Tom war nicht an Erklärungen interessiert, und auch nicht am Honig; seine Laune wurde langsam bedrohlich. Er war es nicht gewohnt, dass sich ihm ein Mädchen verweigerte. Mit finsterem Gesicht betrachtete er Fia durch Augen, die zu blauen Schlitzen verengt waren.
Aber sie machte ihm Mut, beim Mittagessen, das wir draußen neben dem neuen Badeteich einnahmen. Sie lächelte Tom an, schäkerte sogar ein wenig mit ihm. »Tom, der Teich sieht wunderbar aus. Wie hast du überhaupt diesen Baumstamm dorthin bekommen? Er muss so schwer sein!«
»War er.«
»Und doch hast du es geschafft.«
»Ach, Katzenpisse, ich habe schon schwerere Sachen als das gehoben.« Er setzte sich aufrecht hin und warf sich in die Brust wie eine turtelnde Taube.
»Das musst du mir zeigen.«
»Werde ich, Süße.« Während Fia nach drinnen ging, um ihm einen weiteren Krug von dem mit Honig gesüßten Tee vom Herd zu holen, flüsterte Tom mir zu: »Ich habe sie! Geh heute Nachmittag noch einmal fort, Peter!«
Das tat ich. Ich setzte mich auf einen
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