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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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verheiratet.«
    »Das habe ich erwartet. Und nun muss sie gerettet werden. Und zwar von dir, der du die Dinge bis hierher getrieben hast.«
    Gerettet? Von mir? Er musste so wahnsinnig sein wie meine Schwester. »Wie?«
    »Auf die einzige Weise, die dir offensteht. Du hast dieses obszöne Talent zur Verfügung; die Königin hat es oft genug benutzt. Ich habe es bezeugt. Und du hast die Armee der Blauen von… diesem Ort zurückgebracht. Du kannst es wieder tun. Hol eine weitere Armee, und ich werde sie führen.«
    »Ich kann das nicht wieder tun«, widersprach ich erhitzt. »Diesmal ist keine Armee im Land der Toten wach.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Ihr versteht nichts«, sagte ich und schleuderte ihm seine eigenen Worte entgegen. »Ich kann niemanden mehr zurückbringen.«
    »Dann kannst du zumindest Waffen bringen, um uns aus diesem Kerker zu befreien.«
    Daran hatte ich nicht gedacht. In meiner Wut auf meinen Vater, meiner Angst vor der Folter, meiner Unentschlossenheit wegen des Versprechens an Mutter Chilton hatte ich nicht an die brauchbare Möglichkeit gedacht, den Toten ihre Waffen zu stehlen. Nun sprang mein Verstand weiter. Im Lauf der Geschichte musste es große Schlachten auf dieser Insel gegeben haben, auf der schon so lange der Palast stand. Die Toten würden Schwerter, Messer, sogar Gewehre haben. Vielleicht konnte ich bei ihnen sogar etwas finden, um die Ketten zu durchtrennen.
    Ich sagte: »Ich kann den Pfad der Seelen nicht betreten.«
    »Doch. Du kannst. Du hast eine Schuld bei der Prinzessin zu begleichen.«
    Ich schuldete der Prinzessin nichts. Aber seine Sicherheit gab mir die letzte Unze für meine unsichtbare Waage. Auf dieser Seite der Waage lagen mein Zorn und meine Angst und mein Verlangen– mein Recht!–, meinen Vater zur Rede zu stellen. Auf jener Seite mein Versprechen an Mutter Chilton. Lord Roberts Selbstsicherheit hatte die erste Seite verstärkt, nicht weil er überzeugend war, sondern weil ich nach einer weiteren Unze Ausschau hielt. Wir können immer Gründe für das finden, was wir ohnehin tun wollen.
    »Ja«, sagte ich, biss mir auf die Zunge und betrat den Pfad der Seelen.
    Dunkelheit …
    Kälte …
    Erstickender Dreck in meinem Mund …
    Würmer in meinen Augen …
    Erde, die meine fleischlosen Arme und Beine umschloss …
    Der Nebel, dichter und schwärzer denn je, verhüllte nicht die Gestalt, die auf mich wartete. Sie saß auf einem Felsen unmittelbar neben dem Ort, an dem ich das Land der Toten betrat, und seine grünen Augen blickten mich ruhig an.
    »Was hat dich so lange aufgehalten?«, fragte mein Vater.

31
    Ich starrte ihn einen langen Augenblick an, zwei Augenblicke, drei, unfähig, etwas zu sagen. Sprachlos vor Überraschung und Wut. Diese Gefühle sorgten für Verwirrung, sodass das Erste, was ich hervorstieß– von allen Dingen, die ich diesem Mann vielleicht hätte sagen können–, war: »War es das Hundehalsband in meiner Tasche?«
    Er lächelte schwach. »Woher weißt du das?«
    »Mutter Chilton hat vor langer Zeit gesagt…« Mir versagte die Stimme. Vor zweieinhalb Jahren war ich ein ganz anderer Roger Kilbourne gewesen, der sich aufgemacht hatte, um nach Cecilia zu suchen, und Mutter Chilton hatte mir einen finsteren Blick zugeworfen. »Gib mir die Goldstücke und gib mir auch Carolines Ring. Wie dumm bist du, dass du Erkennungszeichen wie diese mit dir herumträgst?« Schattens Halsband war auch ein Erkennungszeichen. Daher hatte Mutter Chilton mich auf dem kleinen Kiesstrand finden können. Das war mir alles während der langen Fahrt im Wagen zum Palast in den Sinn gekommen. Nicht einmal Joan Campfords wildes, hastiges Schrubben hatte dafür gesorgt, dass das Halsband aus meiner Tasche gefallen war. Durch das Halsband hatte mein Vater herausbekommen, wo ich war, und dann hatte er vermutet, dass man mich in den Kerker des Palasts bringen würde.
    Er sagte: »Du bist schnell, Roger. Das wirst du brauchen, dort, wo wir hingehen.«
    »Dies ist der Ort, an den ich gehen werde, und zwar für immer! Nachdem man mich gefoltert und…«
    »Nein. Die Wilden foltern nicht. Das ist für sie unter ihrer Würde.«
    »Ich weiß zufällig, dass es anders ist!«
    Da veränderte sich seine Miene. Auf einmal sah er älter und trauriger aus, und doch lag auch Ungeduld darin. »Du meinst das Seil um deinen Kopf in dem Haus in Almsburg. Wir konnten die Hunde nicht schnell genug zu dir bringen. Und wir haben darauf vertraut, dass der Sänger-Krieger seine Befehle

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