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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kendall
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letztendlich– der panische junge Kurier. Immer wieder tastete ich in der absoluten Finsternis nach der Schulter des daliegenden Mannes und rüttelte fest daran. Einmal schlug ich ihm ins Gesicht. Er regte sich nicht.
    Am Morgen würde ich sterben, wenn der Junghäuptling Rache für den Tod von Lord Solek übte. Wenn die Folterknechte mit mir fertig waren, würde ich zum letzten Mal den Pfad der Seelen betreten und mich in einen Kreis irgendwo im Land der Toten setzen, um dem Seelenrankenmoor lediglich als ein weiterer Quell der Macht zu dienen, der diesen Leuten zur Verfügung stand, damit sie ewig leben konnten. Dunkler Nebel würde meinen Kopf einhüllen, ich würde vibrieren wie ein Bienenschwarm, und dann würde man mich um meine Ewigkeit betrügen. Wenn ich aber jetzt den Pfad der Seelen betrat…
    Ich hatte Mutter Chilton geschworen, dass ich es nie wieder tun würde. »Es ist wichtiger, als du wissen kannst. Versprich es mir!«
    Aber ich hatte keine Ahnung, was geschehen würde, wenn mein Körper im Land der Lebenden starb, während ich im Land der Toten war. Würde der Tod mich genauso beanspruchen, sodass ich mich einfach in diesen dichter werdenden Nebel setzte und in die gleiche geistlose Ruhe verfiel wie all die anderen Toten? Oder würde ich als Hisaf eine Ewigkeit in jenem schattenhaften Reich wach verbringen, wie meine Schwester? Meine Schwester war wahnsinnig geworden.
    Ich hatte es Mutter Chilton versprochen.
    Ich dachte nicht, dass ich die Folter durchstehen würde.
    Als sie mir mein Versprechen abgenommen hatte, hatte Mutter Chilton nicht gewusst, dass ich gefangen werden und mich der Folter gegenübersehen würde. Sie hatte vermutlich gedacht, ich würde das tun, was sie mir aufgetragen hatte, und zurück zu Maggie und Jee gehen. Und mir fiel auf, dass sie der Folter selbst allzu geschickt entkommen war, indem sie sich in eine zerbrechliche, alte Greisin verwandelt hatte, die es nicht wert war, dass man sich mit ihr befasste. Weshalb sollte ich etwas aushalten müssen, das ihr nicht bevorstand?
    Aber ich hatte ihr mein Versprechen gegeben.
    Irgendwo in verlockender Nähe streifte mein Vater durch das Land der Toten. Ich konnte endlich die Antworten erhalten, die nicht einmal Mutter Chilton mir gegeben hatte. Wie konnte sie es wagen, sie mir vorzuenthalten? Sie hatte mir kaum etwas erzählt. Nicht über meinen Vater, nicht darüber, inwiefern er »anders« als andere Hisafs war.
    Und so bewegten sich meine Gedanken vor und zurück, immer im Kreis, wie ein Esel, der an einen Mühlstein gebunden war, und mit genauso wenig Aussicht, sich befreien zu können. Die ganze Zeit über baute sich Zorn in mir auf: auf Mutter Chilton, auf meinen Vater, auf die Wilden, auf die Welt. Beide Welten. In diesem Zustand war ich, erstickt vom Zorn und auch vom fauligen Geruch der Zelle, als Lord Robert Hopewelll mich aus der Dunkelheit ansprach.
    »Roger der Narr.«
    »Nennt mich nicht so!«
    »Ich nenne dich, wie immer es mir gefällt. Es gibt etwas, das ich dir sagen muss.« Beim Klang seiner Stimme hätte der Thymar im Hochsommer zufrieren können.
    »Ich bin an nichts von dem interessiert, was Ihr zu sagen habt.«
    »Du wirst es ohnehin hören«, erwiderte er, und ich erkannte einen Zorn, der so groß war wie meiner und besser beherrscht wurde. »Du bist der Grund für all das.«
    »Bin ich nicht«, sagte ich laut, ohne mich darum zu kümmern, ob ich die anderen weckte, ohne mich darum zu kümmern, ob ich diesen ganzen trügerischen und stinkenden Palast weckte. »Eure Geliebte war der Grund dafür. Es war Königin Caroline, die versucht hat, die Armee der Wilden gegen die Blauen ihrer Mutter aufzustellen, als ob Männer eine Handvoll Spielfiguren wären. Sie hat die Armee der Wilden benutzt, sie hat mich benutzt, sie hat Euch benutzt, mein Lord. Schiebt die Schuld auf das Grab dessen, dem sie zusteht!«
    »Halt deinen Lügenmund, oder ich bringe dich um.«
    Er sprach es ruhig aus, aber ich wusste, dass er jedes Wort ernst meinte. Unwillkürlich kroch ich ein Stück von ihm weg zur Tür der Zelle.
    »Erwähne ihren Namen nie wieder«, sagte Lord Robert im selben gleichgültigen Tonfall. »Du verstehst gar nichts. Aber ich will jetzt nicht über sie sprechen, sondern über Prinzessin Stephanie.«
    »Sie ist nun Königin Stephanie«, sagte ich mit der gemeinen Absicht, ihn zu verletzen. »Sie wurde zur selben Zeit gekrönt, als der Junghäuptling die Krone von Gloria erhalten hat, und auch mit ihm

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