Das Land jenseits des Waldes, Band I
zwischen den einzelnen Trimestern ja über zwölf Wochen frei. Das funktioniert ganz gut. Ich spreche da aus Erfahrung.«
»Na, gerade du musst das ja wissen, Alter!« grinste Jan dazwischen.
»Hast du denn bei euch zu Hause eine Freundin?« wurde Knars dann von seinem Hausprecher ganz unverblümt und direkt gefragt.
Knars trat einige Schritte hinüber ans Fenster und blickte in die Dunkelheit hinaus. In einiger Entfernung konnte er leicht vernebelt die Lichter des etwas tiefer gelegenen Gutshofes erkennen.
»Jetzt komm schon Knars!« hakte Jan nach. »Wir Mulder haben hier keine Geheimnisse voreinander. Auch solche nicht.«
»Hm«, machte Knars dann leise. Ihm war es sichtlich peinlich darüber zu reden, und so sagte er nur: »Das wird sich dann zeigen, ob sie mich noch will, wenn ich in den Weihnachtsferien wieder daheim bin.«
»Glaub mir!« stellte Phillip fest. »Darin zeigt sich dann auch ihr wahrer Charakter. Irgendwie. Wenn man sich nicht wie in einer normalen Schule tagtäglich sieht mit dem ganzen Nervenkrieg, den diese überfüllten staatlichen Lernfabriken da mit sich bringen, sondern sich wie hier in unserem Fall auch ruhig einmal zwölf Wochen nicht persönlich trifft, dann stellt das euere Beziehung auf eine gänzlich neue Basis.«
»Ganz genau!« pflichtete ihm Jan mit einem herben Grinsen bei. »Deshalb haben wir hier bei uns oben im Schloss neuerdings ja auch dieses farbig gemusterte Bettzeugs.«
Phillip bedeutete Jan mit einem strengen Blick, er solle jetzt augenblicklich still sein, während sich Knars wieder langsam den zwei anderen Muldern zuwandte.
»So gesehen«, bemerkte er dann fast schon verschüchtert, »glaub ich ja nicht, dass ich in diesem Sinne so eine richtige Freundin hab’. Wohl eher so ein, …so ein, …so eine Art Hasi halt.« Dann schoss ihm das Blut in den Kopf, ohne dass er es wollte und ohne dass er auch nur das Geringste dagegen tun konnte. Scheiße, verdammte.
»Der wird ja rot, der wird ja voll rot«, frohlockte Jan derb und fügte mit einer der ihm eigenen ungeschlachten Grimassen hinzu: »Mann ist das süß, Mann ist das hart. Mann das ist ja so was von voll krank, dass es ja fast schon pervers ist.«
Phillip merkte sofort, wie nahe Knars, schon allein das offene Reden über seine heimische Betthäschengeschichte ging. Die hatte offenbar ganz schöne Wunden hinterlassen. Noch bevor Knars die Tränen in die Augen schossen und er womöglich wieder zu zittern begann, entschloss er sich daher, die Expresseinweisung für diesen neuen Mulderschüler hier genau an dieser Stelle zu beenden. Darum sollte sich nun wirklich der Herr Trietz kümmern. Kommende Woche. Diese fiesen Sticheleien von Jans Seite schon am ersten Abend waren halt auch einfach kein guter Start für eine Lohenmulder Zimmerkameradschaft, auch wenn sie von Jan ganz bestimmt nicht verletzend gemeint gewesen waren.
Zu seinen beiden Mitschülern sagte Phillip deshalb in seiner Eigenschaft als der Haussprecher von Haus Nummer Fünf :
»So. Leute. Und jetzt will ich, dass ihr euch umarmt. Und ich will, dass ihr beide es auch genau so meint! Und das ganze Geschwätz von gerade ist damit vergeben und vergessen!«
Jan breitete daraufhin leicht grinsend seine beiden Arme aus, die selbst unter dem weit geschnittenen Schulpullover immer noch enorm kraftvoll wirkten. Als auch Knars ihn daraufhin umarmte spürte er erst, wie wackelig er inzwischen auf den Beinen war. War es der Nahrungsmangel? War es schlicht die mentale Überforderung an diesem langen, ereignisreichen Tag? Oder vielleicht beides? Oder womöglich gar etwas ganz vollständig anderes? Genau wusste er es jedenfalls nicht mehr zu sagen, als er sich einfach in Jans starke Arme fallen ließ und dabei seine Augen schloss.
Komischerweise fühlte er sich nun auf einmal gerade hier bei diesem etwas abgedrehten, derben, leicht unsensiblen und dabei immer sehr direkten Mulder heute zum allerersten Mal an diesem ganzen, bisher so voll beschissen gelaufenen Tag wirklich stark und sicher.
Jan wusste zuerst überhaupt nicht, was er machen sollte, als sich der Neue plötzlich wie ein wild gewordener Affe an ihn klammerte.
»Jetzt komm’ schon Alter«, sagte er dann, als die übliche Zeit für eine normale Umarmung abgelaufen war. »Ich bin morgen ja auch noch da.«
Doch Knars reagierte einfach nicht und klammerte sich wie ein Ertrinkender an das letzte Stück Treibholz, das ihm noch geblieben war.
Schließlich gelang es Jan erst mit Phillips Hilfe sich
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