Das Land jenseits des Waldes, Band I
frech mehr als nur ein paar wenige unkontrollierbare obere Brusthaare heraus quollen.
Jan wuchtete sich kraftvoll in die Höhe und ging auf Knars zu. »Hallo Konstantin«, sagte er und griff fast schon etwas zu fest nach Knars’ linkem Handgelenk, »schön, dass du endlich da bist. Seid ihr im Stau auf der Autobahn festgesteckt?«
Der Einfachheit halber nickte Knars schlicht kurz mit seinem Kopf, er fühlte, es war nun wirklich nicht der rechte Zeitpunkt, um den beiden hier im Zimmer von all den komischen Unerfreulichkeiten des heutigen Nachmittags zu berichten. »Vielleicht magst du mich ja einfach Knars nennen«, schlug Knars statt dessen vor.
»Wie jetzt? Knars?« Jan blickte fragend zu Phillip hinüber.
»Na einfach Knars «, sagte der dann, »eine elegante Kurzfassung von K on s tantin N eidh ar t.«
Man konnte regelrecht hören, wie sich Jan in Gedanken die Worte schriftlich vorstellte und die einzelnen Buchstaben zur Abkürzung zusammenfügte. »Mit dem s dann aber nachgestellt am Ende«, formulierte er dann seine neu gewonnene Erkenntnis und schmunzelte. »Alter, du heißt echt Neidhart? Was ist denn das für ein kranker Name? Das ist ja nicht nur krank. Das ist ja fast schon pervers!«
Knars hätte seinen neuen Zimmerkameraden jetzt natürlich schnell über den wohl berühmtesten Träger seines zweiten Vornamens aufklären können.
Ein überaus berühmter Sänger aus längst entschwundenen Tagen, dessen Winter- und Sommerlieder in bis heute unnachahmlicher Weise den Verfall einer in sich gefügten klassischen Ordnung reflektieren. Einer in Überfeinerung erstarrten höfischen Elite wird darin das Ursprüngliche, das Natürliche, das Ungekünstelte gegenübergestellt.
Fast schon ein ganz klein wenig wie das Konzept hier in Lohenmuld, dachte sich Knars, als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen. Back to the Basics . Back to the Roots . Less is more . Allerdings alles schon auf einem bedenklich hohen Niveau.
Doch dann er sagte nichts. Nichts von alledem. Statt dessen nickte er Jan freundschaftlich zu. »Ja. Ziemlich krank. Deshalb wär’s mir auch echt am liebsten, wenn du mich einfach nur Knars nennst.«
»Ja, klar«, sagte Jan nach einer kurzen Pause. »Hallo Knars!«
»Hi Jan!« antwortete Knars und beide reichten sich erneut die Hände und diesmal drückte Jan nicht gar so brutal zu wie beim vorherigen Mal.
Da Knars’ Einzelgespräch mit Herrn Trietz aus den bekannten Gründen auf irgendwann in der kommenden Woche verschoben worden war, gab es nun von Phillip, in seiner Eigenschaft als Haussprecher von Haus Nummer Fünf und damit als erster Stellvertreter von Herrn Trietz, mit einem knallharten Crashkurs eine superschnelle Einführung in die hiesigen Regeln und Sitten, in die Gebräuche und Gewohnheiten am Lohenmulder Schloss.
»Erstens«, setzte Phillip an und holte noch einmal ganz tief Luft, fast so, als wäre es ihm sichtlich unangenehm, bei dem Neuen hier nun auch noch die Aufgabe zu übernehmen, für die sonst eigentlich Herr Trietz bezahlt wurde. »Du bist nicht hier, um irgendwelche Sexpartner für ein schnelles geiles Vergnügen zu finden, sondern um neben deinen ganzen Pflichten hier auch wirkliche Freunde fürs ganze Leben zu gewinnen. Deshalb sind wir hier in Lohenmuld auch nach wie vor eine reine Jungenschule. So wie es schon immer war.«
»Nun, das ist momentan ja nicht so ganz korrekt«, warf Jan ein. »Du vergisst da die Tochter von Frau Direktor Professor Wechselberger.«
Phillip runzelte seine Stirn. »Das ist im Prinzip richtig, allerdings wohnt die Sandra ja nicht direkt bei uns im Schloss sondern davon separat in der Wohnung ihrer Mutter und wir sehen sie, wenn überhaupt, dann nur im Unterricht. Und überhaupt ist dieses Mädchen für alle Mulder sowieso off limits , beyond our borders aus Gründen, die sich ja wohl von selbst verstehen.«
Knars nickte zustimmend. Klang irgendwie logisch. Lächerliches Balzgehabe bis hin zur Selbstzerstörung, komplizierte Eifersuchtsdramen und die ganzen destruktiven Konflikte innerhalb einer Gruppe, wenn sich zwei Jungs in dasselbe Mädchen verliebten, wurden so von Anfang an verhindert. Man konnte sich hier so voll auf seine eigentlichen Aufgaben konzentrieren. Und das schien auch irgendwie gut so. Hörte sich zumindest gut an.
»Das heißt aber natürlich nicht, dass du überhaupt keine Freundin haben darfst, aber eben bitte nicht hier in Lohenmuld sondern dann eher bei dir zu Hause. Wir haben übers Jahr gerechnet
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