Das lange Lied eines Lebens
gefälschten, um für seine Versorgungsfelder dem Massa Pacht zu zahlen, keiner. Niemand würde für sein Haus Miete entrichten. Und sie fassten sich an den Händen und legten einen feierlichen Schwur ab, dass nicht einer unter ihnen auch nur einen Tag für Robert Goodwin arbeiten würde.
NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL
»Dieser Tag soll allen Negern des Dorfes als Warnung dienen«, hob Robert Goodwin an. »Ihr braucht nicht gleich alle Neger zu vertreiben, sondern nur ein Exempel zu statuieren, dass ich, Herr über diese Plantage,Wort zu halten gedenke: dass diejenigen, die ihre Miete nicht bezahlt haben, von jetzt an für mich arbeiten müssen oder aber aus ihren Wohnhäusern und von ihren Ländereien verwiesen werden.«
July hatte Robert einmal ermahnt, daran zu denken, dass Neger nicht so fügsam seien, wie er und sein Papa vielleicht glaubten. Sie hatte es ihm zugeflüstert, als sie aneinandergeschmiegt im Bett lagen. Er hatte gelacht und gefrotzelt, ihre eigene Ungehörigkeit ihm gegenüber mache ihm das durchaus bewusst. Aber wie er so entschlossen auf der Veranda stand, vor der bunt zusammengewürfelten Bande weißer Männer, die er aus der Gemeinde zusammengerufen hatte, damit sie ihm bei der Vertreibung der Neger von Amity beistünden, wünschte sich July, sie hätte ihn die Lektion mit größerer Dringlichkeit gelehrt. Denn seine rechte Hand, die er hinter dem Rücken versteckt hielt, zitterte unkontrolliert, während er sprach.
»Sollen wir ihre Häuser niederbrennen?«, rief ein ungehobelter Weißer, der mit einem angespitzten Hölzchen in den Zähnen stocherte.
Robert Goodwins Faust landete auf dem Verandageländer wie ein herabgefallener Stein. »Nein«, sagte er, »brennt ihre Häuser nicht nieder, denn die werden noch gebraucht, wenn die Neger sich bereit erklärt haben, wieder zur Arbeit zurückzukehren.«
Auf den Gesichtern aller, die diese verhaltene Anweisung vernommen hatten, zeichnete sich Verblüffung ab. Plötzlich loderte in Robert Goodwins Augen die Angst auf, vor der Versammlung schwach zu erscheinen. July, die seine Notlage sah, dachte schon daran, sich mitten in diesen unverschämten Pöbel zu stürzen, ein paar Männer bei der Gurgel zu packen und sie anzuherrschen, dass sie zuhören sollten; denn er, Robert Goodwin, ihr Ehemann, war ein besserer Mensch als alle, die jetzt zu ihm aufschauten – daher mussten sie auf ihn hören und tun, wie er sagte.
Doch sie brauchte sich gar nicht einzumischen, denn vor dem Publikum ließ er sich seine Sorge nicht anmerken, sondern wischte sich, um sie zu kaschieren, mit dem Arm den Schweiß von der Stirn. Dann hielt er seine zitternde Rechte mit der anderen Hand hinter dem Rücken fest, wippte auf den Zehenspitzen und verkündete: »Aber werft ihre Habe ruhig auf die Straße. Und zerstört ihre Feuerstellen. Und treibt ihre Tiere auseinander. Und nehmt ihnen ihre Hühner weg, alle, die ihr findet.«
Er sah July kurz in die Augen und fuhr mit größerem Selbstvertrauen fort: »Sorgt dafür, dass alle Schweine und Ziegen erschossen werden. Ich will nicht, dass sie quiekend und blökend in die Felder einfallen. In den Gärten könnt ihr alle Feldfrüchte zertreten, aber setzt sie nicht in Brand.« Bei der Aussicht auf ein solches Vergnügen begann das Gesindel zu grinsen. Doch als Robert Goodwin hinzufügte: »Gebraucht eure Waffen umsichtig – ich will nicht, dass jemand aus Versehen getötet oder verkrüppelt wird«, verdrehten sich plötzlich alle Augen, die eben noch auf ihm geruht hatten. »Viele von euch haben ja früher schon mal so was getan, und ihr braucht meine Anweisungen nicht. Macht so viel Lärm, wie ihr könnt«, sagte er. »Meistens werden es Frauen sein, Betagte, Kinder, lahme Männer, denn ich will, dass die Arbeitsfähigen die Brände auf ihren Grundstücken löschen.« Und die zustimmenden Rufe,
die von der Meute aufstiegen, beruhigten Robert Goodwin so weit, dass er die Hand heben und um Ruhe bitten konnte, damit sein Plan besser Gehör fand.
»Denn so soll alles anfangen«, sagte er. »Ich habe hier eine Karte, die ich selbst gezeichnet habe«, und er gab July ein Zeichen, sich der Aufgabe anzunehmen, die er ihr anvertraut hatte, bevor die Menge zusammengeströmt war. July griff sich Elias und stieß ihn nach vorn, um die Karte auf seinem Rücken auszubreiten. Als Robert Goodwin auf die Karte zeigte, fing seine Hand erneut zu zittern an; dann verbarg er sie wieder.
»Wenn ich mit meiner Ansprache fertig bin, könnt ihr alle
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