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Das lange Lied eines Lebens

Das lange Lied eines Lebens

Titel: Das lange Lied eines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Levy
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sie ihn unterrichtet hatte, dass die Arbeit auf ihrem eigenen Grund und Boden ihr erlaube, die Freiheit zu schmecken. Nein, sein Ärger galt Miss July. Als nämlich July Fannys Worte zu wiederholen begann, knurrte er sie an: »Ich weiß, was sie gesagt hat! Bin doch kein Narr«, und stürmte aus der Hütte. Die hochmütige Hausbedienstete, Miss July, musste hinter ihm herrennen. Aber da hatte der Massa schon sein Wägelchen bestiegen und fuhr davon. Miss July musste ihm nachrufen, er solle warten. Erst als ihr Wurm zu schreien anfing – ein Gebrüll, dass sich das Flechtwerk von Fannys Hauswand löste –, hielt er das Wägelchen an und erlaubte Miss July, ihn einzuholen und hinaufzuklettern.
    Nach diesen Besuchen ließ Massa Goodwin verlauten, er habe viele Tage mit Gebet und Meditation verbracht. Er berief jedermann in den Mühlenhof, damit sie sich das Ergebnis seiner sorgfältigen Überlegungen anhörten. Wieder stand er auf seinem Fass und gab seinem aus argwöhnischen Negern bestehenden
Publikum bekannt, dass die Miete für ihre Häuser fortan von der Pacht für ihre Versorgungsfelder getrennt werde.
    Mehr noch, er sagte, er halte es für recht und billig und für christlich, denjenigen Negern, die nicht auf der Zuckerplantage mit Namen Amity arbeiten wollten, zu gestatten, dass sie in ihren Häusern und auf ihrem Land verblieben, vorausgesetzt, sie kämen ihren Obliegenheiten nach, ihre Miete rechtzeitig und mit gutem Anstand zu zahlen.
    Die Neger, die ihn in jüngster Zeit »Massa Hakenwurm« nannten, da er sie stärker plagte als jene verhasste Fußkrankheit, ließen die Köpfe hängen. Nein. Massa Goodwin war ein guter Mann, ein freundlicher Mann, ein hübscher Mann, ein kluger Mann, ein gerechter Mann, ein großer Mann, der seinem Papa zur Ehre gereichte. Nur Benjamin Brown stimmte in die allgemeine Katzbuckelei nicht mit ein, denn wie er stets bekannte, vermutete er hinter all den schönen Worten, kaum dass sie geäußert worden waren, eine Hinterlist. Ein Weißer ist ein Weißer, ganz gleich, wie nahe er sich Gott glaubt, urteilte Benjamin.
    Aber Fanny erinnerte sich, dass Benjamin, als James Richards die Mietsätze für die Häuser und Versorgungsfelder vorlas, die an die Mühlentür genagelt waren, den Mund genauso weit aufriss wie alle anderen.
    Wie von Anfang an betrug die Monatsmiete für eine Hütte einen Tageslohn. Die Arbeit eines Tages reichte also aus, sie abzugelten. Aber die Pacht für die Versorgungsfelder! »Lies noch mal«, riefen sie James Richards zu – so sicher waren sie, dass er sich verlesen hatte. Als James Richards die Beträge wiederholte, riefen sie: »Hol Dublin Hilton, der kann Zahlen besser lesen!« Als Dublin Hilton jedoch vortrat, auf das Papier blinzelte und genau dieselben Pachtsummen nannte, lief ein Ächzen durch die Menge und erschütterte die Luft so sehr, dass man es noch in der Stadt als ein Frösteln verspürte.
    Denn für jeden bearbeiteten Morgen Land forderte der Massa eine Pacht in Höhe eines vollen Wochenlohns! Wer könnte je
genug verdienen, um sie zu entrichten? Niemand. Und in eine Ecke des verhängnisvollen Anschlags hatte eine eilige Hand gekritzelt: »Das Fischen im Fluss ist nicht länger gestattet.«
    Später sagte Elizabeth Millar, die Abordnung, die zum Herrenhaus marschiert war, um eine Unterredung mit Massa Goodwin zu erbitten, sei überrascht gewesen. Die Arme gekreuzt, die Beine gespreizt, stand er auf der Veranda, als habe er schon eine ganze Weile auf sie gewartet. Er begrüßte sie mit den Worten: »Ich weiß, warum ihr gekommen seid, und ich will euch eine gute Erklärung für mein Handeln geben.«
    Obwohl James Richards eine ganze Rede eingeübt hatte – die Sätze, mit denen er um Milde und Gerechtigkeit bitten wollte, murmelte er immer wieder vor sich hin –, konnte er gerade mal Atem schöpfen, denn der Massa brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen und sagte: »Hört mir genau zu, ihr alle. Ich habe diese Maßnahme, eine Erhöhung der Pacht für eure Versorgungsfelder, zu eurem eigenen Wohl ergriffen. Ihr alle habt zu lange als Sklaven gelebt, habt zu lange in Ketten gelegen, als dass ihr richtig verstehen könntet, was in eurem besten Interesse ist.
    Ich mache euch keine Vorwürfe daraus, dass ihr euch von den ersten Früchten eurer Freiheit ernähren wollt, doch als euer Herr und als Herr dieser Plantage bin ich derjenige, der am besten versteht, womit euch gedient ist. Einige von euch sind der Meinung, die Königin von England

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