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Das lange Lied eines Lebens

Das lange Lied eines Lebens

Titel: Das lange Lied eines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Levy
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habe euch zugestanden, mit euren Ländereien zu machen, was ihr wollt, aber das ist nicht der Fall. Eure Versorgungsfelder gehören mir, und ich kann sie verpachten, an wen ich will. Die Königin, ja das ganze englische Volk, ist mit meinem Vorgehen einverstanden. Im Lauf der Zeit wird sich herausstellen, dass für jeden von euch die Arbeit für das Gemeinwohl das einzig Richtige ist.
    Ich weiß, ihr haltet eure Ländereien lieb und wert, und ich weiß, dass ihr in der Zeit, da ihr auf Amity lebt, lange und
schwer für sie gearbeitet habt. Jetzt aber müsst ihr diese Ländereien aufgeben und eure Arbeit auf die Tätigkeiten beschränken, die auf einer Zuckerplantage vonnöten sind. Jetzt werdet ihr alle euch bereit erklären, gegen gute Löhne auf Amity zu arbeiten.
    Ich verstehe, dass dies dieselbe Arbeit ist, die ihr früher unter der schrecklichen Tyrannei der Sklaverei verrichtet habt. Aber ihr seid nicht länger Sklaven, ihr seid frei, und in England arbeiten alle Freien – ja, auch weiße Männer – gegen Lohn. Das ist der Lauf der Welt. Und dank der Gnade Gottes seid ihr jetzt frei, euren Platz in dieser Welt einzunehmen. Ihr müsst auf Amity gegen Lohn mit derselben Begeisterung arbeiten wie früher bei der Arbeit auf euren Feldern.
    Ich bin zu diesem Vorgehen gezwungen worden aufgrund eurer Weigerung, meine Vernunftgründe anzuhören, und aufgrund eures Widerstands, so zu arbeiten, wie ich es verlange. Aber vergessen wir das jetzt alles. Lasst uns zusammenarbeiten, um die Plantage mit Namen Amity wieder zum Stolz Jamaikas, Englands und des Empire zu machen.«
    Damit schritt der Massa zum Haus und schloss die Tür, und James Richards konnte kein einziges seiner eingeübten Argumente hervorbringen. Und alle, die herbeimarschiert waren, um sich mit dem Massa zu unterreden, standen in entgeistertem Schweigen vor dem versperrten Herrenhaus.
    Nur Dublin, der an den Zähnen sog und dann sagte: »Die Sklaverei. Die Sklaverei ist eben nach Amity zurückgekehrt«, durchbrach ihre Gedanken. Cornet rannte los, um die Kette zu suchen, mit der er einst an die Wand des gefürchteten Verlieses gebunden worden war. Er habe die Absicht, sagte er, vor dem Weißen, dessen Forderungen ihm erneut die Freiheit raubten, seine Handgelenke zu fesseln. Doch Dublin und Giles hielten ihn zurück. Es gebe einen anderen Weg, sagten sie ihm, einen besseren.

    So wurde in einer drückenden, düsteren Nacht im Negerdorf ein Palaver abgehalten. Die Neger versammelten sich vor Peggys und Cornets Hütte, aber es kamen so viele, dass die Menge sich bald in Betsys Garten ergoss. James Richards begann, indem er, so gut er sich erinnern konnte, die Rede des Massas Wort für Wort wiederholte.Aber die Versammlung zeigte sich so ungläubig gegen Robert Goodwins Worte, dass sie skandierte: »Was hat er gesagt?«, »Nein! … Er lügt …«, »Nein, Sir … Ich werd nicht …«, »Ha! … Bin kein Sklave nich’ mehr …«, »Nur damit sich was verändert …«, »Arbeite, wie’s mir passt.«
    Währenddessen bat Benjamin, der auf Peggy Jumps dreibeinigem Schemel stand, alle Umstehenden, ihn anzuhören. Der Pfarrer der Bapistenkirche habe vor, Ländereien aufzukaufen, die die Neger bewirtschaften könnten, erzählte er ihnen. Fanny schnalzte mit der Zunge und sagte, auch der Pfarrer sei ein Weißer. Aber ein Mann Gottes, entgegnete Benjamin, bevor der Schemel umfiel und er mit ihm.
    Dann sprach Giles des Langen und Breiten über einige an Amity angrenzende Ländereien, die besetzt werden konnten – Ländereien, die jeder für sich beanspruchen durfte. Und als Giles die Bäume, Gräser, Hügel und Mulden auf diesem Ackerboden aufzählte, wiederholte Elizabeth Millar über seine dröhnende Predigt hinweg: »Massa spricht nicht wahr. Er erzählt Lügenmärchen. « Denn sie glaubte, wie sie erklärte, noch immer daran, dass ihnen die gute Königin von England die Versorgungsfelder zum Geschenk gemacht habe.
    Dann bat Dublin um Ruhe, aber es wollte keine einkehren. Erst als James Richards Ezra drängte, das Muschelhorn zu blasen, ließ die Zusammenkunft sich zur Ordnung rufen. Und als das Gezänk nachgelassen hatte, begann die aufgerüttelte Versammlung, mit einer Stimme zu sprechen.
    Alle kamen überein, dass diejenigen, die im Negerdorf wohnten, auch weiterhin dort wohnen bleiben würden. Sie würden ihr Land bestellen, und sie würden ihre Erzeugnisse
auf dem Markt feilbieten. Aber keiner würde auch nur einen Penny aufbringen, und sei es einen

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