Das Leben dahinter (German Edition)
Ich wollte eigentlich zu euch“, antwortete Cheung. „Hab etwas in den Aufzeichnungen der Argo gesehen, das ich euch zeigen wollte.“
„Und was?“
Doch Miles hörte ihm kaum zu, als Cheung von irgendeinem Objekt in der Umlaufbahn um Ceres zu berichten begann. Er hätte vielleicht besser zuhören sollen, doch er war zu sehr mit dem Cluster zur Gefahrenerkennung beschäftigt. Das Netz war tatsächlich ohne Funktion auf dem Schiff, aber einige vitale Cluster liefen noch. Miles versuchte, dem System vorzugaukeln, dass ein schiffsweiter Notfall vorlag, damit es die Tore wieder öffnete. Diese Idee hatte er von Cheung. Und wie schwer konnte das schon sein? Für seine Tochter wäre es sicher nur eine Fingerübung gewesen…
Na los, du schaffst das schon, Miles!
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Johannson hatte nur ganz weit entfernt mitbekommen, dass Miles und der Asiat gerade nach einer Möglichkeit suchten, das Schiff verlassen zu können. Vielleicht würden sie dann einen Arzt, vielleicht sogar Doktor Korhonen selbst finden. Vielleicht konnten sie Lisa dann in den Krankenbereich der Argo bringen und sie retten.
Johannson war nur rudimentär mit der menschlichen Anatomie vertraut und mit den hiesigen medizinischen Instrumenten konnte er gar nichts anfangen. Er konnte ihr nicht helfen, würde sich jetzt nicht einmal trauen, sie zu bewegen. Darum mussten die beiden es schaffen, die Tore der Argo zu öffnen, wenn sie überhaupt noch etwas für Lisa tun wollten. Sein Gefühl sagte Johannson jedoch, dass sie es niemals rechtzeitig schaffen würden. Lisas Augen waren trübe, er konnte gerade noch Leben in ihnen erkennen.
„Es ist so ruhig“, sagte sie plötzlich, als war sie gerade erwacht.
„Ja“, antwortete er und kämpfte ein Wimmern herunter. „Jason ist tot.“
Sie nickte schwach.
„Bist du in Ordnung?“, fragte sie.
„So gut wie neu“, antwortete er und versuchte, gut gelaunt und stark zu klingen. Doch er konnte es wieder nicht aufhalten und es fiel ihm mehr als schwer, sich wieder zu fangen. Seine Tränen wirkten dabei nicht befreiend, sondern fühlten sich erdrückend auf seiner geschundenen Haut an, während sie über sein Gesicht schwammen.
Lisa regte sich jetzt langsam und hob ihren Arm zu ihm hoch. Unbeholfen wischte sie über sein Gesicht. Eigentlich fühlte es sich viel mehr wie leichte Schläge an, doch er ließ sich nichts anmerken, obwohl sie sein verletztes Gesicht damit traktierte.
„Nicht weinen …“ Sie schluckte, doch war ganz ruhig.
„Das passiert, weil ihr Jungs euch immer raufen müsst. Schau dir mal dein Gesicht an !“ Sie hustete kurz und begann zu lächeln. „Du musst dich mal wieder waschen und dir neue Klamotten anziehen. Haarschnitt und Rasur wären auch nicht schlecht. Du siehst vielleicht aus, Mikael…“
Johannson musste durch den Tränenschleier ebenfalls lachen.
„Machst du mir jetzt Vorhaltungen?“ , fragte er schnippisch.
Sie ließ langsam die Hand wieder sinken und blickte ihm tief in die Augen.
„Nein.“ Das Lächeln verschwand und wieder musste sie husten. „Ich weiß, dass du dich um dich selbst kümmern kannst.“
Sie nickte ihm zu. Erneut fühlte Johannson Tränen aufsteigen.
„Vielleicht kann ich das, Lis. Aber ohne dich wär es nicht dasselbe.“
„Keine Problem“, sagte sie leise. „so lange waren wir auch nicht zusammen.“
Sie wusste, dass sie es nicht schaffen würde. Sie wusste, dass sie gerade ihre letzten Worte sprach. Das konnte er ihr ansehen. Sie hatte sich aufgegeben, doch sie schien sich nicht zu fürchten. Darum versuchte Johannson auch nicht, sie von einem Wunder einer Rettung zu überzeugen.
„Du wirst es schon schaffen“, ergänzte sie. „Du bist ein großartiger Kerl.“
Er nickte mit zugeschnürtem Hals, unfähig etwas zu äußern. Dabei wollte er ihr zumindest sagen, dass er sie liebte! Doch es ging nicht. Er brachte kein Wort hervor.
Lisas Blutungen waren heftiger geworden, der Boden unter ihr war beinahe schwarz. Es würde nicht mehr lange dauern.
„Was ich dir vorhin sagen wollte…“
Zittrig atmete sie durch.
„ Danke“, sagte sie. „Danke für die Zeit, auch wenn sie kurz war. Es war die schönste, die ich erleben konnte.“ Sie atmete noch einmal tief durch.
„Ich liebe dich, mein Held!“ Es traf ihn mitten in die Magengrube. Sie hatten es sich nie gesagt. Wieso erst jetzt? Noch immer unfähig zu sprechen, beugte sich Johannson hastig zu ihr herunter und gab ihr einen langen Kuss. Seine Tränen fielen auf ihr
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