Das Leben dahinter (German Edition)
vor ihm auf. In seinem Kopf begann es wild zu wirbeln. War das die Kolonie? War sie gerade zerstört worden? Waren alle Einwohner gestorben und war er damit nun der letzte Mensch der Geschichte? Er schloss die Augen und versuchte Kontakt zu der unbekannten, doch bekannten Stimme aufzunehmen.
Hallo?
Diesmal keine Antwort.
Du redest auch nicht immer, was?
Nichts! Nur Dunkelheit, von gelegentlichem Flackern überlagert, das durch seine Augenlieder drang, und das ferne Rumoren von hunderten Explosionen. Er dachte an den Tag zurück, als sie das Karmesinobjekt gefunden hatten, als Alka fort war und er im Schnee saß und ganz alleine war. Aber wenn er Recht hatte, war sein damaliges Gefühl der Einsamkeit hiermit ad absurdum geführt. Wenn er Recht hatte, war er erst jetzt wirklich allein…
Du bist der letzte , murmelte plötzlich die Stimme, die er vorher erfolglos zu rufen versucht hatte, durch seinen Kopf. Du musst weitergehen.
Und er hatte tatsächlich den leisen Drang, einfach aufzustehen und weiterzugehen, doch er hielt sich selbst davon ab, blickte sich stattdessen um. Das Licht der brennenden Kolonie überlagerte die gesamte Ebene und tauchte selbst die fernen Berge, die heute eigentlich noch sein Ziel gewesen waren, in ein trübes, bräunliches Flackern.
Doch bald konnte er einen zweiten Schein ausmachen. Ein en dämmerigen Lichtpunkt in der Ferne. Etwas, das wie ein kleiner Stern anmutete, der jedoch nicht weiß leuchtete, sondern … karmesinrot !
Die verregnete Welt um ihn herum verschwamm, er spürte ein Zittern am ganzen Körper , und er erkannte dieses Gefühl, der Ohnmacht nahe zu sein, als eine Reminiszenz aus früheren Tagen wieder. Er hatte es seinerzeit auf der Brücke der Argo gespürt, kurz bevor er in Ohnmacht gefallen war. Und wie damals wusste er plötzlich wieder, was geschehen war.
Komm jetzt , forderte die androgyne Stimme wieder in seinem Kopf. Steh auf und lauf los!
Doch er blieb noch immer sitzen.
Das einzige , dachte er. das ich wahrscheinlich jemals wirklich besessen habe, ist mein Leben. Ich werde einen Teufel tun, es jetzt dir einfach so zur Verfügung zu stellen. Du wirst dich gedulden müssen…
E ntspannt nahm er sich den Rucksack ab und zog ein Holo heraus. Der prasselnde Regen und das zitternde Aufflackern der Flammen störten ihn ein wenig bei seiner Eingabe, als er zu schreiben begann, doch er konnte sich ja Zeit lassen. Er hatte schließlich noch eine Ewigkeit vor sich.
Er wollte nicht zu viel schreiben , aber auch nicht zu wenig. Seine Rolle als Auserwählter der Uthrii ließ er gänzlich aus, besonders, weil er nicht wusste, warum gerade er für sie so wichtig war. Alka Singh war ein Zufall gewesen, doch eigentlich ging es die ganze Zeit über nur um ihn. Er wusste nicht einmal, ob er es als Ehre empfinden sollte. Frank Pauli hatte schließlich gerade mit einem Kamikazeflug den letzten Rest der Menschheit vernichtet, das vermeintliche Uthrii-Netz hatte sich seinerseits mittlerweile um die Zerstörung aller Überbleibsel menschlicher Errungenschaften gekümmert, soweit dies möglich gewesen war. Neu programmierte Baudrohnen hatten in den letzten Tagen zunächst die Wad’Akh‘Wian-Städte und dann sich selbst zerstört.
Sollte er noch etwas über die versteckten Überreste auf der Erde schreiben? Er entschied sich letztlich jedoch dagegen, zu viele Informationen über die menschliche Rasse an den Speicher dieses Holos zu übergeben. Die Uthrii – die „Wesen dahinter“ – hatten ihre Maßnahmen vorgenommen, um so wenig wie möglich von der Menschheit zu hinterlassen. Würde er jetzt zu viele Informationen speichern, könnten sie möglicherweise versuchen, auch noch diese Aufzeichnungen zu entfernen, selbst wenn ihre Fähigkeiten zur direkten Einflussnahme doch sehr begrenzt waren.
Als er fertig war, das letzte und einzige Schriftstück der Menschheit zu verfassen, übertrug er es zusammen mit einigen Standardübersetzungsclustern von seinem Holo an eine kleine, kubusförmige Speichereinheit. Er hatte diese Einheit möglicherweise rein zufällig, vielleicht aber auch prophetisch mitgenommen. Jedenfalls konnte sie angeblich und laut der Werbung des Konglomerates Daten sogar über mehrere Jahrmillionen aufbewahren. Leider würde diese verblichene Firma ihm den Beweis dafür schuldig bleiben. Obwohl, vielleicht auch nicht…
Er stopfte den Würfel neben dem Holo einfach in den feuchten Boden von Ceres. Wenn seine Idee funktionierte, war es ein Glücksspiel, ob
Weitere Kostenlose Bücher