Das Leben, das uns bleibt (German Edition)
sollte sie es nicht sein, habe ich wenigstens dafür gesorgt, dass er doch noch Zuflucht in seiner Kirche suchen kann. Ich habe ihm so wenig zu geben, aber zumindest das kann ich tun.
Dies ist das letzte Mal, dass ich in mein Tagebuch schreibe. Ich habe beschlossen, die Bücher nicht zu verbrennen. Sie sind die Zeugen meiner Vergangenheit, unser aller Geschichte. Sie zu verbrennen wäre, als würde ich leugnen, dass Mom je gelebt hat, Jon, Matt oder Syl. Dad und Lisa. Gabriel. Mrs Nesbitt. Charlie.
Julie.
Alex.
Ich kann ihnen nicht ihre Vergangenheit stehlen, nur um meine zu schützen. Wenn wir also morgen früh losgehen, werde ich die Tagebücher hierlassen. Ich werde nie wieder eines schreiben. Meine Geschichte ist erzählt. Soll jemand anderes die nächste erzählen.
Es hat Zeiten in meinem Leben gegeben, in denen ich dachte, ich würde alles kennen, was schön und wichtig ist: den süßen Gesang eines Rotkehlchens, eine Wiese voll leuchtend gelbem Löwenzahn, das Hochgefühl, an einem klaren Wintertag übers Eis zu gleiten.
Im letzten Jahr habe ich Hunger und Angst, Trauer und Dunkelheit kennengelernt. Ich habe begriffen, dass man sich schrecklich einsam fühlen kann, auch wenn man sich gleichzeitig nichts sehnlicher wünscht, als endlich mal allein zu sein.
Dann kam der Regen. Und wieder hab ich so vieles gelernt.
Von Syl kam die Lektion des Überlebens. Von Gabriel die Erkenntnis, dass aus Verzweiflung Hoffnung geboren werden kann.
Charlie hat mir gezeigt, dass Familie und Freundschaft ein und dasselbe sein können.
Und Julie hat mich daran erinnert, dass auch der dunkelste Himmel voller Sterne ist und dass die Sonne auch noch am kältesten Tag ihre Wärme verströmt.
»Miranda?«
Das ist Alex’ Stimme. Alex ruft nach mir. Ich werde das Tagebuch jetzt weglegen, es mit all den anderen zusammen verstecken. Und dann werde ich zu ihm gehen, mich neben ihn stellen und seine Hand nehmen, wenn er die ersten Schritte macht, ins Leben zurück.
Er hat mir beigebracht, auf morgen zu vertrauen.
»Ja, Alex«, sage ich. »Ich komme.«
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