Das Leben der Wünsche
Nachttisch. Keine Anrufe, keine Nachrichten.
Sag mir, was mit dir los ist, bat Marie.
Ist mit mir etwas los?
Du bist so weit weg.
Dieses Gefühl habe ich auch, sagte er.
Und woher kommt es?
Ich weiß nicht. Aber es ist da. Es hat nichts mit dir zu tun und wird auch wieder verschwinden.
Sie tranken. Seine Dose war gleich leer, und er warf sie weg.
Was spielt sich denn gerade ab in deinem Leben? fragte Marie.
Er legte sich wieder zu ihr und umschlang sie von hinten. Die Mutter meiner toten Frau wohnt bei mir, sagte er. Ein Bericht, der so anfängt, kann nicht gut weitergehen.
Sie wohnt bei dir?
Wegen der Kinder. Nur eine Weile.
Und sonst?
Nichts. Ich wäre gern viel mehr mit dir zusammen.
Ja, sagte sie. Ich auch mit dir. Es geht eben nicht.
Jonas setzte sich auf. Plötzlich war er wütend.
Und wieso geht es nicht? Was hindert uns?
Auch Marie fuhr hoch.
Fängt das schon wieder an? rief sie. Bitte –
Was? Was fängt schon wieder an?
Nein, Jonas, wir werden das jetzt nicht besprechen. Wir haben es fünfmal und zehnmal besprochen, wir werden es nicht –
Was haben wir besprochen? Das war eine andere Zeit! Da waren die Dinge noch anders!
Sie wurde ruhig. Sie legte den Kopf auf seine Brust und umfasste seinen Arm.
Aber für mich sind die Dinge nicht anders. Ich habe noch immer ein Kind. Und ich hänge an Apok. Das alles ist nicht so leicht, weißt du.
Weiß ich.
Du weißt es?
Ich weiß es.
Ich brauche Zeit, verstehst du?
Ich verstehe es.
Sie schliefen noch einmal miteinander. Danach döste er ein. Er hörte Geräusche, die er nicht zuordnen konnte. Seine Beine lagen an Maries Beinen, er fühlte ihre Hand zwischen seinen Schultern. Das Kissen war feucht von ihrem Schweiß. Er drehte sich auf den Rücken und rieb sich das Gesicht, um die Schläfrigkeit zu vertreiben.
Er zählte die Kästchen im Muster an der Decke. Er dachte daran, wie viele Menschen schon hier gelegen unddiese Kästchen betrachtet hatten. Er dachte an die Decke, die da oben hing und seit langer, langer Zeit die Menschen hier unten betrachtete. Marie drückte sich an ihn und bedeckte mit der Hand seinen Schwanz. Er streichelte ihr Haar, wickelte eine Strähne um seinen Zeigefinger, rollte sie wieder auf.
Was tust du hier? fragte er. Ich meine, was tust du offiziell? Was ist dein Alibi?
Ich sehe Karina bei einem Fechtturnier zu.
Die Federn des Bettes knarrten, als er sich von ihr löste. Im Bad trank er ein Glas Wasser. Er trat näher an den Spiegel heran und suchte nach Mitessern. Von irgendwoher drangen die Lustschreie einer Frau. Er legte die Stirn gegen die Scheibe und versuchte das Gefühl von Furcht zu bekämpfen, das in ihm aufstieg. Er hauchte so lange Atem auf sein Spiegelbild, bis es hinter dem Beschlag verschwunden war.
Sie umschlangen einander. Unter seiner Hand fühlte er ihr Herz klopfen, viel ruhiger als vorhin, nach dem ersten, einem langen, fordernden Akt und einem Orgasmus, bei dem sie den Rücken durchgebogen und sich den Arm über die Augen gelegt hatte. Mit der freien Hand griff er zwischen ihre Schenkel und strich sanft über ihre Schamlippen. Draußen, hinter den geschlossenen Jalousien, fuhren Autos vorbei. Die Lustschreie waren nicht mehr zu hören, dafür spielte nebenan ein Radio.
Etwas passiert, sagte er. Ich kann nicht erklären, was. Etwas geht vor sich.
8
Werner Weltumsegler: Hast du eine Minute?
JP: Auch eine Stunde. Sitze noch immer am Katalog. Warum kommst du nicht rüber? Gehen wir in die Kantine.
Werner Weltumsegler: Nein, habe hier zu tun.
JP: Okay. Also?
Werner Weltumsegler: Ich wollte dir etwas vorschlagen.
JP: Der Gefallen, den ich dir tun kann?
Werner Weltumsegler: Es einen Gefallen zu nennen trifft die Sache nicht, schließlich sollst du es nicht mir zuliebe, sondern für dich machen, sonst wäre die Sache nicht richtig. Es handelt sich also um einen Gefallen, den du mir nur tun sollst, wenn er dir zusagt.
JP: Ich bin nicht sicher, ob man das dann noch einen Gefallen nennt.
Werner Weltumsegler: Werden wir gleich wissen. Rundheraus gesagt hätte ich gern, dass du mit Evie schläfst.
JP: ???????????????????????
Werner Weltumsegler: Dachte mir schon, dass du so reagieren würdest.
JP: Treuetest?
Werner Weltumsegler: Nein.
JP: Versteckte Kamera?
Werner Weltumsegler: Nein.
JP: Bloß ein Witz, wie?
Werner Weltumsegler: Evie weiß von dieser Unterhaltung hier. Dieser schriftlich geführten Unterredung. Pass auf, was du sagst, sie kriegt das Logfile zu sehen.
JP : Möchtest
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