Das Leben der Wünsche
aber gerade das war der Reiz … du verstehst schon.
Werner Weltumsegler: Bist du jetzt eingepennt?
JP: Aber jetzt schlafe ich nur mit Marie. Und Punkt.
Werner Weltumsegler: Versprich mir, dass du über meinen Vorschlag zumindest nachdenken wirst.
JP: Darüber werde ich sogar sicher nachdenken.
9
Mit Tom und Chris schickte er im Kinderzimmer Perry, die lachende Lokomotive, auf die Strecke. Während Chris auf seinem Rücken turnte und ihn von hinten würgte, tippte Jonas ins Handy:
Was ist eigentlich mit dir los?
Er löschte den Satz und schrieb stattdessen:
Alles in Ordnung bei dir? Können wir tel.?
Und bekam nach einer Minute die Antwort:
Kann jetzt nicht. Melde mich später. A. und ich fahren gerade weg.
Wohin?
Weg. Kurzer urlaub zu zweit, sascha ist bei apoks eltern, die sind zu besuch im land. Bitte sei mir nicht böse.
Tom bettelte um Kakao. Jonas machte Kakao.
Zu heiß! schrie Tom.
Der ist genau richtig! Die Flasche fühlt sich nur außen heiß an.
Tom begann zu weinen. Der ist viel zu heiß!
So wartest du eben, bis er abgekühlt hat.
Ich will auch Kakao! jammerte Chris.
Und wieso sagst du das nicht vorher?
Chris versuchte, seinem Bruder die Flasche wegzunehmen, doch Tom war stärker. Chris brüllte auf, warf sich auf sein Bett und vergrub das Gesicht im Kissen.
Ich mag Kakao haben! Kakao!
Aber du kriegst ja deinen Kakao! Gib mir drei Minuten!
Geh weg!
Was heißt das? Wieso soll ich weggehen?
Geh weg! Ich will zu meiner Mami!
Ach du liebe Zeit!
Jonas wollte ihn in den Arm nehmen, doch Chris sträubte sich und strampelte so stark mit den Beinen, dass er Jonas an der Nase traf.
Ich will zu meiner Mami!
Du weißt, dass das nicht geht, Herzzwerg. Sie kommt nicht mehr.
Ich will zu Mami! Ich will zu Mami!
Während er den bitterlich weinenden Chris zu streicheln versuchte, blickte er auf Tom, der unbeeindruckt, als ginge ihn das alles nichts an, mit seiner Flasche zwischen den hölzernen Schienen hockte, und er fragte sich, welche der beiden Verhaltensweisen eigentlich die gesündere war.
Chris riss sich los, wischte sich noch einmal über das Gesicht und setzte sich zu Tom, als wäre nichts gewesen. Sekunden darauf schlugen sie wegen eines Waggons aufeinander ein. Jonas wärmte in der Küche die letzte Milch. Durch die Durchreiche sah er Lea, die in einer Zeitschrift las. Die Schuhe hatte sie ausgezogen und die Beine hochgelegt, unter der Strumpfhose rieb sie die Zehen gegeneinander.
Er brachte Chris den Kakao. Der Kleine feuerte die Flasche quer durchs Zimmer. Jonas legte sich im Schlafzimmer aufs Bett. Von nebenan hörte er das Gebrüll der Jungen. Ein Flügel der Schranktür stand offen, und Jonas erkannte Helens Lieblingsbluse auf einem Wäschestapel, den Lea eingeschlichtet haben musste. Er war sich nicht darüber klar, was er mit ihren Sachen anfangen sollte.Aufbewahren? Wegwerfen? Und wann, jetzt oder in einem Jahr? Er wusste nur, dass niemand anderes in ihren Shirts und Hosen herumlaufen durfte.
Eine SMS von Werner, er sei noch unterwegs, Jonas solle seine morsche Gestalt nach draußen schleppen. Ich bin tot, schrieb Jonas zurück. Nebenan ertönte ein Klirren. Er ging nicht nachsehen.
Wenn ich zurück bin, feiern wir deinen geburtstag nach. Ich habe ein tolles geschenk für dich.
Ich möchte bei dir sein.
Ich auch bei dir. Ich umarme dich. M.
Er steckte die Kinder in die Badewanne, wobei er sich zwang, nicht daran zu denken, was hier geschehen war, und sich zum wiederholten Mal daran erinnerte, dass sie umziehen mussten. Er putzte ihnen die Zähne und schickte sie zum Gutenachtsagen ins Wohnzimmer, während er schon auf dem kakaoverschmierten Teppich zwischen ihren Betten wartete. Drei Geschichten musste er vorlesen und zwei weitere erfinden, bis sie zufrieden waren, und dann dauerte es noch eine halbe Stunde, bis beide tief und regelmäßig atmeten und er hinausschleichen konnte.
Er warf einen Blick ins Wohnzimmer. Lea lag vor dem Fernseher, das Zimmer roch nach ihr, herb, als sei der Raum kleiner geworden. Er räumte das Geschirr in den Spüler und machte die Küche sauber. Während er zusah, wie das Teewasser heiß wurde, hörte er ihre schnarrende Stimme:
Aber das sage ich doch! Lass dir endlich ein Gebiss machen! Kronen taugen überhaupt nichts. Sind teuer, fallen aus, die endgültige Lösung ist die beste. Ich bin damit sehr zufrieden!
Er nahm den Tee ins Schlafzimmer mit. Er schlug einen erotischen Roman auf, den Helen gelesen hatte, aber er fand nicht
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