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Das Leben der Wünsche

Das Leben der Wünsche

Titel: Das Leben der Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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durch das Verstecken von Ostereiern, wie er es bezeichnete, aufheitern konnte, etwa indem er besonders schaurigen Stützstrümpfen den Namen Priapos gab oder das Lockgeschenk für unschlüssige Kunden, eine Ramschkamera, Demozid nannte.
    Er rief den Stand seiner Fonds ab. Sie hatten gleichmäßig zugelegt. Ob er als Anlageberater eine Chance hätte? Neulich war schon Hektor wegen Tipps zu ihm gekommen.
    Nach drei Stunden mit drolligen Gartenzwergen und entzückenden Kinderpyjamas rief er eine Werkstatt an und beschrieb ihnen, wo sie das Auto finden konnten. Währenddessen leuchtete Maries Name auf dem Display auf, und er warf den Mechaniker aus der Leitung.
    Ich kann nur kurz reden, sagte sie, passt es dir heute um halb sechs?
    Lea erreichte er nicht. Zur Sicherheit rief er Irina an, die ihm versicherte, abends Zeit zu haben. Er nahm sich wieder die Produktbeschreibungen vor. Er merkte selbst, wie schlampig er nun arbeitete, doch es war ihm egal, er war so voller Vorfreude auf Marie. Als Hektor ihn fragte, ob er in die Kantine mitkäme, stand er drei Sekunden darauf beim Lift.
     
    Was haben Sie mit dem Wagen gemacht? Sieht aus, als wären eiserne Hornissen durchgeflogen?
    Was meinen Sie mit eisernen Hornissen? fragte Jonas.
    Er steht jetzt hier. Was sollen wir machen? Alles?
    Was für eiserne Hornissen?
    Kommen Sie vorbei, sagte der Mechaniker, sehen Sie sich das an! Die Sitze!
    Was ist mit den Sitzen?
    Vollkommen durchlöchert, sind hinüber! Als wären eiserne Hornissen hindurchgeflogen, wieder und wieder, vorne, hinten, an den Seiten, auf der Sitzfläche, überall!
    Sagen Sie, feiern Sie eine Betriebsparty, haben Sie einen in der Krone?
    Na, sehen Sie es sich doch an!
    Ich komme vorbei, sagte Jonas. Ich sehe mir das an. Ihre Hornissen.
    Was sollen wir also machen? Hinten sieht der Wagen nicht gut aus. Und Sitze haben wir keine im Lager, da müsste ich ein paar Telefonate führen.
    Sind Sie sicher, dass es mein Wagen ist, den sie da aus dem Wald gezogen haben? Bestimmt stehen da einige Wracks rum.
    Der Mechaniker sagte ihm die Autonummer.
    Sie meinen, jemand hat darauf geschossen? fragte Jonas.
    Keineswegs. Wie so etwas aussieht, weiß ich. Das hier ist anders.
    Mit dem Taxi fuhr Jonas zur Werkstatt. Im Büro standen dicke, glatzköpfige Zwillinge, die rauchten und schwitzten. Jonas kam nicht dahinter, mit welchem er telefoniert hatte. Einer von ihnen führte ihn in die Halle, in der es kühl und laut war und in der junge Männer in erkennbar neuen grellroten Overalls umhergingen. Es roch nach Öl. Ein schweres Werkzeug fiel zu Boden, und der Klang durchflutete die Halle.
    Wir haben ihn uns von unten angesehen, die Achsen sind okay.
    Jonas nickte nur.
    Die Elektrik hat etwas abbekommen, aber das kriegen wir hin.
    Der Wagen stand auf einer Hebebühne. Als Jonas das verbeulte Heck sah, stieß er einen zischenden Laut aus und biss sich auf die Lippen. Der Mechaniker drückte einen Knopf, die Bühne sank summend herab. Unter Mühen öffnete er die klemmende Fahrertür und trat zurück, damit Jonas hineinsehen konnte.
    Stumm blickte Jonas auf die Sitze.
    Verstehen Sie, was ich meine? fragte der Mechaniker.
    Jonas starrte auf die Sitze.
    Ich werde nicht schlau daraus, sagte der zweite Zwilling, der nachgekommen war.
    Jonas wandte den Blick nicht von den Sitzen ab.
    Sehen Sie mal! sagte der zweite Zwilling.
    Er trat vor und steckte einen Finger in eines der Löcher. Die Fingerspitze kam bei einem anderen Loch wieder heraus.
    Beachten Sie den Winkel. Eine Kugel kann nicht umdie Ecke fliegen. Ich habe es zu Paco gleich gesagt: Das hier sieht wirklich aus, als wären ein paar Hundert eiserne Hornissen durchgeflogen!
    Grausam sieht es aus, sagte der andere.
    Jonas räusperte sich. Aber es gibt keine eisernen Hornissen, sagte er lahm.
    Ich werde Ihnen da nicht widersprechen, sagte der erste Mechaniker.
    Was war das dann?
    Weiß nicht. Kinder vielleicht?
    Kinder sind heute Nacht durch den Wald gelaufen, um seltsame Löcher in meine Autositze zu stanzen?

7
    Marie kam nackt aus dem Bad zurück. Sie hatte seine Schramme am Oberarm verarztet und das schmutzige Pflaster weggeworfen, nun legte sie sich wieder neben ihn. Er bot ihr seine Schulter als Kissen an. Sie nahm seine Hand und legte sie sich auf die Brust.
    Tee? Sekt? Schnaps? fragte sie. Da unten in der Tüte.
    Bier wäre mir lieber.
    Ist auch das Einzige, was wirklich in der Tüte ist.
    Er holte zwei Dosen und sah auf die Uhr. Er griff nach dem Mobiltelefon auf dem

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