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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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es eben auch sein kann, betroffen von Tod und Trauer, sondern um das Geld, das auch daran noch gespart oder verdient werden kann. Für bessere Zeiten.
    Wirklich zufrieden macht das alles nicht. Ob ungewollt oder gewollt: Wenn sich unsere Vorstellung von Spaß, Glück oder Selbstbestimmung erfüllt, meldet sich gleich ein herzhaftes Noch-mehr: «Ein jeder Wunsch, wenn er erfüllt wird, kriegt augenblicklich Junge» . (Wilhelm Busch). Da ist Erziehungsarbeit angesagt. Denn: «Die Seele liebt in allen Dingen das diskrete Maß», so formuliert es Hildegard von Bingen. Sie lässt uns in den siebten Himmel träumen. Das ist wahr. Dort könnten wir mit ihr Gott finden, der uns erfüllt und uns an die Arbeit schickt. Wir würden merken: Es ist nicht schlimm, nicht Gott zu sein. Aber es kommt noch besser: Es ist einfach nur schön, dass unser Gott im Himmel, nicht auf der Erde unser Gott sein kann.
    «Die mit Händen gemachten Götter sind keine Götter» . (Apg 19,26). Der Apostel Paulus bezog seine Worte damals in Ephesus auf die silbernen Statuen der Fruchtbarkeitsgöttin Artemis mit ihren maßlos vielen Brüsten. Ähnlich muss heute ausgesprochen werden, dass weder Geld noch Besitz Gott gleichen. Weder der eigenen Gesundheit noch dem eigenen Wohlbefinden darf alles geopfert werden. Es ist nicht richtig, von einem Kind imHinblick auf den späteren Konkurrenzkampf nicht nur die besten Noten, sondern auch noch glänzende Leistungen in drei bis fünf Hobbys zu verlangen. Guter Urlaub misst sich nicht daran, ob auch alles so wird, wie es im Katalog stand. Und schon gar nicht fängt mit ihm erst das Leben an.
    Der Maßlosigkeit ist das eine Freude, was sie selbst inszeniert hat. Deswegen ist der Maßlose auch so unglücklich. Immer könnte es im Leben noch besser, noch schöner, noch bewegter sein. Er ist unfähig, sich mit anderen im Zusammenhang zu sehen. Da könnte ihm ja ein Maß begegnen, dem er im wahrsten Sinne des Worts nicht gewachsen ist. Also lebt er ganz für sich allein und hält sich an seine privaten Aussichten auf die Zukunft. Deswegen gehört die Maßlosigkeit auch zu den Todsünden. Lapidar, aber wahr: Wer maßlos lebt, ist schon tot.
    Der franziskanische Weg ist sicher der radikalste Erziehungsweg: Dadurch, dass keiner der Brüder etwas hat, wird der Wunsch, nach mehr Besitz zu streben, im Keim erstickt. Es wäre gut, wenn sich unsere Gesellschaft deshalb darüber klar würde, wie wenig sie eigentlich hat. Dabei sollte die Perspektive leitend sein: Reich ist man nur, wenn alle mit einem reich sein können. Der Ausweg aus der Maßlosigkeit beginnt beim Mitmenschen. Ich verstehe gut, dass Jesus Blinde geheilt hat. Sie lebten von allem, was sie sich vorgestellt haben. Gegen die Maßlosigkeit helfen am besten die offenen Augen. Unsere Wünsche mäßigen sich auf diesem Weg wie von selbst. Wenn wir sehen, was alles da ist, nehmen wir auch wahr, was wir alles nicht mehr brauchen. Wir sehen unsere Grenzen an Zeit und vor allem an Vermögen in jeder Bedeutung des Worts.
    Wir können unsere Lust auf mehr artikulieren: Wir sind aber nicht Gott. Wir können nicht alles haben. Wir können nicht alles machen. Der Sinn unseres Lebens besteht nicht darin, heute undjetzt sofort so glücklich zu werden, wie wir es uns vorstellen. Er besteht darin, hier und heute das Glück zu sehen, das uns jetzt schon geschenkt ist.
    Ich erinnere mich, wie ich als Kind mit meiner Tante öfter eine gelähmte Dame besuchte. Sie hatte sich einen Spiegel über dem Bett anbringen lassen, mit dem sie durch das Fenster in einen Park blicken konnte. Die Gespräche mit ihr drehten sich häufig um die Leute, die dort spazieren gingen und die ihr mit der Zeit immer vertrauter geworden waren, genauso wie bestimmte Tiere und die Farbe der Blumen und Blätter. Ich habe diese Frau als glücklich in Erinnerung.
    Unseren Durst nach unendlichem Frieden stillt Gott schon heute. Unsere Sehnsucht nach vollkommenem Verständnis erfüllt Gott uns sofort. Das Leben gerät in viel ruhigere Bahnen, wenn wir unsere Selbstbestimmung nicht von dem leiten lassen, was wir morgen erreichen wollen. Wir werden schon vollendet werden – das verspricht mir mein Glaube. Darum mache ich mir heute keine Sorgen, sondern genieße, was heute möglich ist.
    Der Königsweg dazu ist das Gebet. Es ist nicht die Unterwerfung unter eine Autorität. Im Gebet öffnet der Mensch Gott gehorsam die Tür. Dann treten Glaube, Hoffnung und Liebe ein. Die göttlichen Tugenden werden sie genannt.

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