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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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man dann, später, irgendwann ein Jemand sein wird. Arm vor Gott ist jeder, der weiß, wie reich Gott ist. Mit ihm braucht niemand in Konkurrenz zu treten. Wenn man schon weiß, wer der Reichste ist – nämlich Gott – kann man sich getrost anderen Zielen zuwenden. Zum Beispiel dem, heute schon mit dem zu leben, was einem im Jetzt zur Verfügung steht.
    «Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen» . (Lk 11,3), heißt es im Vaterunser. Damit spielt Jesus auf eine Erfahrung des Volks Israel in der Wüste an: Das Manna bekamen sie 40   Jahre lang jeden Morgen frisch. Wer auf solche Erfahrungen verweist, redet nicht in einer billigen Sorglosigkeit das Wort. In der jüdisch-christlichen Tradition ruft die Erinnerung an Gottes Sorge für das Heute vielmehr dazu auf, nichts auf die lange Bank zu schieben. Weil man aus dem schöpfen soll, was da ist, ist es nur folgerichtig, dass die Bibel klipp und klar sagt: «Du darfst von deinem Bruder keine Zinsen nehmen: weder Zinsen für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für sonst etwas, wofür man Zinsen nimmt.» . (Dtn 23,19). Wer heute alles einsetzt, dient damit dem Gemeinwohl am besten.
    Der Trend, doch irgendwo noch was für den Zeitpunkt X auf Lager zu haben, gehört zur menschlichen Urversuchung. Aus der Frühzeit unseres Ordens wird berichtet, wie ein Novize, also ein Ordensanfänger, der Psalmen lesen konnte, vom Oberen die Erlaubnis erhalten hatte, ein Psalterium, ein Psalmbüchlein, zu besitzen. Weil er aber gehört hatte, dass Franziskus es nicht wollte, dass seine Brüder nach Wissenschaft und Büchernstrebten, ging er zu dem charismatischen Ordensgründer, um auch dessen Erlaubnis zu erhalten. Der Novize sagte zu ihm: «Vater, es wäre mir ein großer Trost, ein Psalterium zu besitzen. Der Generalminister hat es mir zwar zugestanden, aber ich will es nur mit der Einwilligung deines Gewissens besitzen.» Franziskus antwortete ihm: «Viele Heilige und Helden lebten für die Ausbreitung des Glaubens in Schweiß und Mühe bis zum Tod. Und die Märtyrer sind im Kampf für Gott gefallen. Heute jedoch gibt es viele, die allein durch die Erzählung dessen, was jene vollbracht haben, zu Ehre und Menschenlob gelangen wollen. So gibt es auch unter uns viele, die nur durch Vorlesung und Verkündigung der Werke, die die Heiligen vollbracht haben, Ehre und Lob empfangen wollen. Wenn du erst ein Psalterium hast, dann wirst du begehrlich werden und ein Brevier besitzen wollen. Und wenn du ein Brevier hast, dann wirst du auf dem Katheder sitzen wie ein großer Prälat und zu deinem Bruder sprechen: Bruder, bring mir das Brevier!» Daraufhin ließ Franziskus sich das Brevier bringen, legte es sich auf den Kopf, tanzte damit und rief immer wieder: «Ich bin das Brevier. Ich bin das Brevier.»
    Franziskus hatte diesen Bruder durchschaut, der sich etwas aneignen wollte, was ihn von den anderen abhob. Deswegen verwies Franziskus den Novizen auf das gelebte Beispiel: Nicht die Vorstellung, einmal genauso vollkommen beten zu können wie die vielen Heiligen, soll ihn leiten. Er soll einfach jetzt damit anfangen. Das Buch wird ihn von den anderen und auch von Franziskus trennen. Der Besitz stellt sich zwischen ihn und die anderen Brüder. Dabei, so sieht Franziskus es voraus, wird es aber nicht bleiben: «Wenn du erst das Psalmbüchlein hast, dann willst du auch das dickere Brevier.» Das Brevier will zum Psalmbüchlein. Geld will zu Geld, sagen wir. Was wir besitzen, macht uns nicht satt. Je satter wir werden, umso gieriger sind wir.
    Unselig unsere Augen, wenn sie größer sind als der Mund. Maßhalten tut not. Von den überquellenden Einkaufswagen war schon die Rede. Bei Tisch geht es weiter. Wir essen, bis uns der Magen drückt. Kaum einen Ratschlag geben Ärzte vergeblicher als den, wir sollten uns doch bitte mäßigen. Diätkuren kranken daran, dass wir uns davor ein letztes Mal noch die süße Stärkung genehmigen. Und kaum ist eine Woche herum, hat man schon das sechste «letzte Mal» hinter sich.
    Wir können keinen Frieden finden in dem Rahmen, der uns gesetzt ist. Obwohl wir nur ein Paar Schuhe tragen können, stehen zig Paare in unserem Schrank. Obwohl wir nur begrenzte Zeit zum Lesen haben, kommt jede Woche ein neues Buch ins Haus. Der biblische Biss in die Frucht vom Baum der Erkenntnis wiederholt sich täglich. Statt das gegebene Paradies zu genießen, gieren wir maßlos nach dem, was uns eigentlich zu viel ist. Nicht angemessen, sondern schlichtweg verboten. Einen

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