Das Leben Findet Heute Statt
präsent ist, so sehr ist sein Anspruch nicht von dieser Welt. Er will als Schöpferder Welt und der Menschen absichtsfrei gefeiert werden. Er will nicht jeden Einzelnen zufriedenstellen, sondern beunruhigen. Gott bestätigt nicht, was wir uns ausdenken. Gott ist der größte Kritiker seiner Geschöpfe.
Zu meinem Gottesbild gehört es, dass Gott auch die Fehler kennt, die in seiner Schöpfung vorhanden sind. Er leidet mit seinen Geschöpfen. Und er gibt ihnen Kraft und Ideen, dem großen Leid ein Ende zu machen. Die Voraussetzung dafür lautet, dass wir Geschöpfe von allem loskommen, was uns einflüstert, wir bräuchten nur auf unsere Chance zu warten und dann schafften wir es schon, die Welt so hinzubiegen, wie wir sie uns vorstellen.
Gottesdienste sind nicht dafür da, die Vorstellungen des Menschen zu bestätigen. Sie verkünden, dass die neue Welt Gottes schon jetzt da ist. Jesus sagt: «Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch» . (Lk 17,21). Wer zur Kirche kommt, sucht eine Alternative zu dem Erfahrbaren. Er möchte etwas kennenlernen, was nicht von dieser Welt ist. Wenn wir im Kloster unser Stundengebet sprechen, nehmen wir Texte zur Grundlage, die wirklich aus einer anderen Welt kommen. Sie entstammen einer Epoche, die seit 4000 Jahren vorbei ist. Die Psalmen führen uns von unserem Alltagsgeschäft in die Atmosphäre Gottes. Es hat bei mir fast 20 Jahre gedauert, bis ich das wirklich verstanden habe. Nicht wir beten die Psalmen, sondern sie beten uns. Ich konnte mich von Anfang an darauf einlassen, weil ich denen vertraut habe, die sie mit mir Tag für Tag gesprochen haben. Hätte ich sie allein gebetet, weil ich damit etwas Besonderes erfahren wollte, hätte ich es sicher bald aufgegeben. An erster Stelle steht das vollkommene Vertrauen, dann, wenn Gott es will, folgen Momente, die wirklich beglückend sind. Sie drücken «nur» noch aus, was wir mit erfülltem Herzen glauben: Gott ist da. Diesen Weg kann jederausprobieren: Man muss einfach davon ausgehen, dass alles schon gut ist. Dass ich nicht mehr zum Glück brauche als das, was ich habe. Selig mit dem sein, was zur Verfügung steht. Das ist das Leben. Mein Leben. Und darin wird mir das Glück aufgehen, das genau zu mir passt.
Die Maßlosigkeit lähmt uns bis über den Tod hinaus. Für den ist jetzt nämlich auch jeder selbst zuständig. Damit später alles genau so abläuft, wie man es sich vorstellt, legt man sich heute fest. Wenn sich heute schon keiner um mich kümmert, dann wird das auch nach meinem Tod nicht besser sein. Manche glauben doch tatsächlich, sich damit trösten zu können, dass sie ihre eigene Bestattung geregelt haben. Kein Wunder, dass die Friedhöfe zu Egowiesen werden. Eigentlich sind Friedhöfe Orte, an denen die Menschen ihrer Verstorbenen gedenken. Dort ehrt die Gemeinschaft das Andenken ihrer Mitglieder. Sie sind im Besitz der Kirchengemeinden oder der städtischen Gemeinden. Beides hat sich nun gründlich geändert. Die Gesellschaft will grenzenlos happy sein. Also lässt sie den Einzelnen mit seinen Toten und im Tod allein. Er protestiert nicht dagegen. Ihn betäubt das süße Gift der Maßlosigkeit: Jetzt endlich kann er auch noch den Tod selbst in die Hand nehmen. Er fühlt sich aufgewertet. Jetzt plane ich für das Danach. Das fühlt sich wie Selbstverantwortung an. Dabei läuft alles nur auf Selbstentwertung hinaus: Jetzt muss man sich auch noch selbst entsorgen. Wer noch traurig darüber sein kann, passt nicht in die Landschaft. Geschätzt wird, wer mit einer gewissen Selbstzufriedenheit verfügt, die eigene Asche solle auf die grüne Wiese gestreut werden. So halten wir uns die Tatsache vom Leib, dass wir nicht ewig Zeit haben. Dass unser Leben später nicht anfängt. Sondern aufhört. Und das Maß voll sein kann.
Diese Begrenzung tut wie alles, was uns an unser Menschsein erinnert, weh. Vor allem deshalb ist der Tod eine reine Privatsachegeworden. Die Trauernden machen das brav mit, weil sie wehrlos sind in ihrem Leid. Man weint nicht öffentlich. Man trägt nicht mehr Schwarz. Man macht die Trauerfeier zu einem Spaßevent mit launigen Reden und lustigen Reimen. Die Gesellschaft hat keine Zeit, die Unterbrechung zuzulassen, die der Tod nun mal bedeutet. Die Friedhöfe werden privatisiert oder in eigenwirtschaftliche Betriebe umgewandelt. Der Tod geht uns nichts mehr an. Es muss jeder selbst damit fertig werden. Es geht im Tod nicht mehr um Kultur, sondern um Dienstleistung. Nicht mehr um das Leben, wie
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