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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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Grund dafür liefert die Bibel gleich mit: Wir sind Ebenbilder Gottes. Deshalb träumen wir davon, allmächtig zu sein und uns alles erlauben zu können. Wir kommen von unserem Schöpfer, der, wie Franziskus von Assisi sagt, Frieden, Reichtum und Gut zur Genüge in sich begreift.
    Maßhalten erinnert uns als Gottes Geschöpfe daran, dass wir nur sein Ebenbild sind und nicht Gott selbst. Wir erleben es als Ungenügen, was uns ins Menschenstammbuch geschrieben ist. Dagegen lehnen wir uns auf. Wir möchten sein wie der Herr. Alles haben. Alles bekommen. Alles machen. Alles ausprobieren. Überall sein. Überall mitmachen. Ohne jedes Maß.
    Friedrich Nietzsche hat schon in der Mitte des 19.   Jahrhunderts gespürt, wohin solche Wünsche führen. In «Die Fröhliche Wissenschaft» ruft der tolle Mensch: «Wir haben Gott getötet – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder! Aber wie haben wir diesgemacht? Wie vermochten wir das Meer auszutrinken? Wer gab uns den Schwamm, um den ganzen Horizont wegzuwischen? Was taten wir, als wir diese Erde von ihrer Sonne losketteten? Wohin bewegt sie sich nun? Wohin bewegen wir uns? Fort von allen Sonnen? Stürzen wir nicht fortwährend? Und rückwärts, seitwärts, vorwärts, nach allen Seiten? Gibt es noch ein Oben und ein Unten? Irren wir nicht wie durch ein unendliches Nichts? Haucht uns nicht der leere Raum an? Ist es nicht kälter geworden? Kommt nicht immerfort die Nacht und mehr Nacht? […] Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? […] Müssen wir nicht selber zu Göttern werden, um nur ihrer würdig zu erscheinen?»
    Aus diesem Gedanken heraus entsteht später die Idee des sogenannten Übermenschen: Tot sind alle Götter. Nun wollen wir, dass der Übermensch lebt.
    Die Entwicklung hat sich zugespitzt. Was Friedrich Nietzsche zu seiner Zeit erkannte, könnte er heute noch extremer beobachten. Alles von Gott zu erwarten und in Gott finden zu müssen demütigt den Menschen. Wir wollen selbst Ursprung, Ziel und Maß aller Dinge sein. Und wenn wir uns schon nicht selbst machen konnten, soll am Anfang höchstens ein blinder Zufall stehen und am Ende ein namenloses Nichts: Nichts kann uns also zur Verantwortung ziehen.
    Der Aufstand gegen das Unmäßige ist so alt wie die Menschen selbst. Sie in Schach zu halten brachte bald Drohungen und Strafen hervor, die sich ihrerseits ins Maßlose verstiegen. Heute schrecken Höllendrohungen niemanden mehr auf. Eher mäßigt uns die Anzeige der Waage morgens im Bad. Oder, dramatischer, es rüttelt uns die Zwangsräumung eines Nachbarn auf, den seine Spielsucht ruinierte. Wenigstens für einen Augenblick bedenken wir, was alles passieren kann, wenn man nichtfrüh genug nein sagt. Doch sind solche Hiobsbotschaften so wirkungsvoll wie eine donnernde Kapuzinerpredigt: Fast schon verbucht man den Schauder als einen Beitrag unter vielen zur Erheiterung mitten im großen Fressen.
    Die Gier nach Ess- oder Erlebbarem walzt alles nieder, was zu den Heiligtümern der Menschheit gehört. Eine Feier soll eigentlich jemandem zu Ehren gehalten werden, für den man dankbar ist. Heute muss das Festgeheimnis den Gästen Dankbarkeit dafür zeigen, dass sie gekommen sind. Also organisiert man vor lauter Angst, der Tag selbst und sein Anlass seien nicht genug, für die Verwandtschaft und Bekanntschaft ein Wochenendevent, welches am Ende aber dann doch auch nur gelangweilt abgehakt wird. So viele allerneueste Ideen für Ihre Party kann es ja gar nicht geben.
    Im Vordergrund steht die Befriedigung derer, die im Heute nicht leben können und ständig nach einem heute Abend, nächsten Wochenende oder – auch in diese heilige Zone bricht man ein – nach einem Gottesdienstevent auf der Suche sind. Die Kirchen, einst Orte des Trosts, dass Gott uns heute schon alles anbietet, verkommen zu Vertröstungsagenturen. Es werden sogenannte Gottesdienste ersonnen, die nichts anderes sind als allerfeinste esoterische Trendveranstaltungen. Musik, Farbe, PowerPoint-Präsentationen und Rollenspiele sagen den Menschen: Es wird alles gut. Wartet nur ab. Ein bisschen Frieden – und damit kann man vielleicht schon mal anfangen. Versucht’s mal mit Beten. Entspann dich hier erst einmal.
    Innerkirchlich heißt es dann: Wir kommen den Menschen entgegen. Wahr aber ist, dass die Kirche den Menschen nachläuft und sie nicht an der richtigen Stelle abholt. Sie geht in die falsche Richtung. Denn sosehr Gott in dieser Welt

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