Das Leben ist ein Baumarkt
um den Kollegen zu fragen, der da natürlich nicht zu finden ist, kann das vermeintliche Opfer in aller Ruhe die Flucht ergreifen. Besser wäre es an dieser Stelle, eine Antwort in der Art zu geben: »Das macht nichts. Ich suche sowieso nur jemanden, der mir zuhört.« Auch die Frage »Zu welcher Abteilung gehören Sie denn?« kann Wunder wirken und ist zumindest schon einmal ein Gesprächsbeginn. Im optimalen Fall braucht man sogar noch etwas aus dem Bereich des Drückebergers und muss ihn dann später nicht extra suchen.
Anders hingegen ist es bei vorher genanntem Idealfall. Hier hat der Berater den Kontakt zu den Kunden, kann mit ihnen zusammen Probleme lösen und bekommt sehr viel positives Feedback. Selbstverständlich läuft auch hier nicht alles reibungslos und es gibt viele Situationen, in denen der Blutdruck rapide ansteigt oder man einfach laut loslachen möchte.
Wie so ein Beratungsgespräch verläuft, hängt oft schon von der ersten Ansprache ab. Denn es bestehen nicht nur auf Verkäuferseite bisweilen gravierende Defizite, auch die Kunden sind oft nicht ohne. Seien wir doch mal ehrlich, wer im privaten Umfeld kurz die Hilfe seines Nachbarn benötigt oder einen Rat von ihm braucht, der wird wohl kaum zu ihm hingehen und sagen: »Ey, Chef, komm mal her!« Stattdessen wird man wohl eher fragen: »Kannst du mir mal bitte helfen?«
Denn wer freundlich fragt, erhält viel öfter auch eine nette Antwort. Das ist klar. Aber warum führen sich dann manche Kunden im Baumarkt so auf, als wären sie der große Meister und der Verkäufer ihr Lehrling oder Laufbursche? Und wenn der Verkäufer tatsächlich so ein Volldepp ist, was ja durchaus vorkommen kann, warum fragt man ihn dann überhaupt irgendetwas?
Manchmal kommt es Baumarktangestellten gegenüber sogar zu heftigen verbalen Entgleisungen, bei denen Bezeichnungen aus dem Tierreich noch eher von der harmlosen Sorte sind. Viel interessanter werden solche Dialoge, wenn gleich die ganze Familie (vornehmlich die Mutter) in die Beleidigungen mit einbezogen wird. Mir selbst ist es sogar schon passiert, dass mir von einem Kunden Schläge angedroht wurden, nur weil ich ihn darauf hingewiesen habe, dass er sein Auto dank eingebauter Räder viel leichter zu den Zementsäcken hinfahren kann, als dass ich diese über den ganzen Parkplatz schleppe.
Im ersten Moment könnte man sich jetzt über solche Angebote und Beleidigungen maßlos ärgern. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass davon kaum etwas wirklich persönlich gemeint ist. Vielmehr entstehen solche Äußerungen wahrscheinlich aufgrund von Stresssituationen, Zeitdruck und vielen anderen Dingen, die uns allen das tägliche Leben erschweren. Und mal ganz ehrlich: Ohne solche Zwischenfälle wäre es verdammt langweilig im Baumarktalltag. Denn wer will schon an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr den gleichen Film ansehen? Oder jeden Tag Kartoffelsuppe essen? Wohl niemand.
Viel mehr liegt mir da schon der »Missbrauch« von Frauen im Magen, die von ihren Männern in den Baumarkt geschickt werden, um ganz dringend etwas zu besorgen. Dabei kommt es mir manchmal so vor, als würden die Frauen nur deshalb losgeschickt, weil ihre Männer nicht genau wissen, was sie eigentlich brauchen oder wie die benötigten Dinge heißen. Was liegt dann näher, als jemand anderen zu schicken? Da blamiert man sich wenigstens nicht selbst. Wenn die Damen dann aber Bedenken äußern, weil sie daran zweifeln, ob sie alles finden, oder fürchten, dass die Sachen, die sie besorgen sollen, vielleicht zu groß oder zu schwer für sie sind, heißt es dann immer: »Da wird dir schon einer helfen.«
Klar, einerseits beschweren sich alle immer darüber, dass sie nie einen Berater im Baumarkt finden, andererseits wird sich schon jemand um die Frau kümmern, wenn es ums Einladen schwerer Dinge oder um eine Beratung geht.
Was aber wirklich das Schlimmste daran ist, sind diese Zettel mit den merkwürdigen Produktbezeichnungen und den großartigen Erklärungen, mit denen die armen Frauen losgeschickt werden. Da steht dann auf dem Einkaufszettel beispielsweise so etwas wie »Navigationsmasse« (Nivellierspachtel), »weißes Fugengrau« (Fugenweiß), »Latte zum Festmachen« (Zaunpfosten) oder »Abstandshalter« (Fliesenkreuze). Selbstverständlich alles ohne Mengenangaben.
Fragt man dann vorsichtig nach, wofür zum Beispiel die Abstandshalter gebraucht werden, geht das eigentliche Rätselraten erst los, denn die Frauen wissen es nicht. Woher auch?
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