Das Leben ist ein listiger Kater. Roman
Entbindung.
Sie sieht nicht mehr aus wie ein Fass auf Beinen. Ich würde nicht sagen, dass sie attraktiv geworden ist – sie ist vierzehn Jahre alt, ich schaffe es nicht, sie als Frau anzusehen, und hübsch ist sie auch nicht –, aber ich muss sagen, etwas an ihr hat sich verändert, das springt ins Auge. Eine gewisse Gelassenheit oder Reife, ich weiß nicht recht.
Sie hat nicht mehr den gleichen Blick, und der Blick ändert in einem Gesicht alles. Die Mutterschaft steht ihr gut, so einfach ist das, glaube ich.
Sie sitzt an dem kleinen Tisch gegenüber von meinem Bett und tippt mit ihrer eifrigen Miene, die ich allmählich kenne, auf der Tastatur herum. Manchmal entwischt ihr ein leises Kichern, wahrscheinlich hat eine Freundin ihr einen Witz geschickt.
Ihren Spross hat sie dankenswerterweise in ihrem Zimmer gelassen.
Ich frage mich, ob sie diesen Stöpsel gewollt hat, ob ihr klar ist, was ein Kind bedeutet, ob sie den Vater liebt.
Plötzlich lacht Maëva los, dann hält sie sich sofort mit beiden Händen den Mund zu, schaut mich an, wird knallrot und ruft einigermaßen überzeugend: »Entschuldigung!«, um kurz darauf in einen so ungeheuren Lachanfall auszubrechen, dass sie beinahe platzt.
Ich muss unwillkürlich lächeln.
Sie lacht etwas diskreter weiter, tippt emsig, hält inne, gluckst wie ein Perlhuhn, textet weiter. Sie wippt im Rhythmus der Bässe mit, die aus ihrem MP 3 -Player quellen.
Sie zwirbelt eine Haarsträhne, nagt an ihrem Daumennagel, ich sehe, wie sich ihre Lippen bewegen, als sie die Antwort liest. Ihre Zunge spielt mit dem Piercing in der Unterlippe, was ihrem Profil nicht gerade zuträglich ist. Von einem anthropologischen Standpunkt her ist das alles recht spannend zu beobachten.
Ich schaue auf die Uhr, hoppla, bald ist schon Zeit für die Nachrichten …
Eine junge Mutter muss doch sicher Verpflichtungen haben, oder?
Aber sie scheint es nicht eilig zu haben.
Ich versuche es mit einer List: »Meinst du nicht, dass dein Baby vielleicht Hunger hat?«
Sie wirft einen Blick auf die Uhrzeit am unteren Bildschirmrand, zuckt mit den Schultern und antwortet, ohne mich anzusehen: »Hm, doch, schon gut, ich geh gleich.«
Ich nehme an, sie verabschiedet sich von ihren Freundinnen, es dauert eine Weile, bis sie zehn Wörter geschrieben hat.
Dann stellt sie mir den Computer wieder auf den Nachttisch, die Augen immer noch lachend.
»Wie heißt denn der Vater?«
»Was?«
»Der Vater deines Babys, weißt du, wie der heißt?«
Als ich ihren verdatterten Blick sehe, frage ich mich auf einmal, ob sie wohl verstanden hat, dass Kinder zwangsläufig einen Vater haben. Ob sie den Zusammenhang von Ursache und Wirkung begriffen hat, vom Schäferstündchen zum Braten in der Röhre?
Aber sie antwortet beleidigt: »Na klar weiß ich das! Er heißt Lucas!«
»Ist er dein Liebster?«
Sie verdreht die Augen und sagt verächtlich: »Pfff, er ist nicht mein ›Liebster‹, er ist mein Freund, so.«
»Aber, äh … freut sich dein Freund denn, dass er Papa ist?«
Sie lächelt mir breit zu: »Na klar, er ist oberstolz. Ich hab ihm die Fotos geschickt, die Sie heute Morgen gemacht haben.«
Gut, gut, gut.
»Und … ist er auch vierzehn?«
Sie reißt die Augen sperrangelweit auf. Ich spüre, dass sie sich gerade noch verbeißt, mir zu antworten: »Sind Sie bescheuert oder was?«
»Pfff, natürlich nicht! Er ist zwanzig. Na ja, fast.«
Aha – viel reifer als sie dürfte er aber auch nicht sein, ihr »fast« zwanzigjähriger Lucas!
Plötzlich ist mir, als würde ich Camille hören, »Sie hören wohl nie auf, über Leute zu urteilen, wie?« Ich versuche meine Vorurteile zu unterdrücken und die Flut meiner Gewissheiten einzudämmen. Wenn man lange genug wie ein alter Trottel denkt, wird man schließlich selbst einer.
Da sich die Kröte dem Verhör bereitwillig unterzieht, nutze ich die Gelegenheit, um die Frage zu stellen, die mir auf den Lippen brennt: »Aber … Wolltet ihr dieses Baby denn wirklich? Du bist doch noch sehr jung, oder?«
»Ja, aber so werde ich von zu Hause abhauen können.«
»Ach so, ging es dir denn da so schlecht?«
»Ja, ich durfte nie irgendwas machen. Aber hier zu sein ist auch ätzend. Ein Monat, jetzt reicht’s dann mal!«
»Einen Monat warst du hier?«
Sie schiebt ihren Kaugummi in eine Backe, schnieft, zuckt mit den Schultern.
»Ja, der Arzt wollte mich dabehalten, weil nicht sicher war, ob der Kopf durchpasst und wegen dem Gewicht vom Baby und so. Aber
Weitere Kostenlose Bücher