Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
ist nicht entstanden, um zu belehren oder zu bekehren. Ich möchte noch nicht mal aufklären, nicht mit wissenschaftlichen Fakten versorgen, nicht vorschreiben oder verbieten und auch niemandem etwas aufschwatzen. Aber vielleicht gelingt es mir, einen Anstoß zu geben, eine Inspiration, vielleicht zum Nachdenken, vielleicht zum Handeln. Was dann letztendlich entsteht, kann individuell ganz verschieden sein.
Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie wir den Klimawandel meistern können. Es geht um die grundsätzliche Frage, wie wir miteinander leben wollen.
Für mich heißt das: anders als bisher. Dabei genügt es leider nicht, wenn einer allein sein Handeln ändert. Es müssen viele sein, die bereit sind, die Dinge anders zu machen, damit die Veränderung nicht im persönlichen Bereich bleibt, sondern auch quantitative und politische Wirkung hat.
Es geht um Handlungen, die zielführend und effektiv sind.
Es geht nicht darum, sich gut zu fühlen, so wie der T-Shirt-Träger mit der Aufschrift »Fleischessen ist Mord«. Es geht nicht darum, recht zu haben, sondern es geht darum, eine Kommunikation zu schaffen, die bei den Adressaten zu etwas führt.
Jonathan Safran Foer hat gesagt: Vegetarier zu werden ist eine radikale Veränderung, aber nur eine individuelle. 100 Millionen, die einmal pro Woche das Steak auslassen, das sie sonst immer gegessen haben, sind 100 Millionen Fleischmahlzeiten weniger. Das kann man auf vieles übertragen. Was nützt es, wenn eine Veränderung einem Einzelnen richtig wehtut und der Gesellschaft nichts bringt? Nichts.
Es ist einerseits ganz und gar nicht verwerflich, wenn die Veränderung nicht schmerzt oder sogar angenehm ist – und eine große positive Auswirkung hat.
Andererseits werden wir Veränderungen eingehen müssen, die uns schmerzen. Wir werden langfristig den Energieverbrauch nur reduzieren können, wenn wir neben dem Konzept der Effizienz auch die Suffizienz, d. h. das Konzept von Verzicht, in unseren Alltag einziehen lassen. Das bedeutet Verzicht auf das, was wir glauben zu brauchen, auch auf das, was wir kennen und lieben und von dem wir meinen, dass es uns zusteht. Verzicht auf das, was wir jetzt als unseren Lebensstil bezeichnen, der auf einer Ausbeutung der Gemeingüter basiert, auf einer »Ökonomie der Verschwendung« – so der Mobilitätsforscher Stephan Rammler –, die zu einem Ressourcenverbrauch geführt hat, den wir in keiner Weise jemals ausgeglichen haben. Auch wenn Boris Palmer sagt, dass man mit dem unvermeidlichen Thema Suffizienz die Menschen derzeit nicht erreichen, sondern nur abschrecken kann, müssen wir uns diesem Gedanken und den daraus folgenden Konsequenzen stellen.
Ganz offensichtlich ist es, dass es für das neue Denken und das neue Handeln eine kritische Masse braucht, um Politikern und Regierungen zeigen und sagen zu können: »Schaut, wir machen jetzt das und das. Und wir wollen, dass ihr das und das macht.« Wir müssen diese unsere Interessen mindestens genauso laut und einflussreich vertreten, wie das die Lobbyisten der Wirtschaft tun. Pathetisch gesprochen sind wir die Lobbyisten unserer Kinder und Enkel und des Planeten.
Was ich von meinen Gesprächspartnern gelernt habe
Als ich anfing, mich mit Klimawandel zu beschäftigen, hatte ich zwischendurch das Gefühl, es wäre am besten, wenn ich schrumpfen würde oder im Wald in einer Höhle lebte oder gar nicht mehr da wäre. Aber viel wichtiger ist es, das Maximum aus der uns zur Verfügung stehenden Energie herauszuholen, den Verbrauch von Energie drastisch zu reduzieren und möglichst nur erneuerbare Energie zu verbrauchen – und am besten, sie selbst zu produzieren. Diese Erkenntnis gewinnen seit einiger Zeit immer mehr Menschen. Von vielen ist das aber noch sehr, sehr weit weg.
Von einer Höhle im Wald aus kann man wenig dazu beitragen, dass sich etwas verändert. Im übertragenen Sinne habe ich sogar lange in so einer Höhle gelebt, zurückgezogen in mich selbst, entweder gleichgültig oder bestenfalls hadernd mit dem Ungenügen der Welt, ihrer Politiker und überhaupt. Das führt zu nichts außer zu Frust. Der bessere Weg ist, präsent, sichtbar in der Welt zu sein, um dem Problem, vor dem wir stehen, eine öffentliche Plattform zu schaffen. Und damit der Erkenntnis von der Effizienz- und Suffizienznotwendigkeit in unserem Leben schneller zum Durchbruch und zur Umsetzung zu verhelfen.
Dabei gibt es eine ganze Reihe von Diskussionen, die zwar berechtigt sind, aber am Problem
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