Das Leben ist zu kurz für Knaeckebrot
Kundinnen aus Hamburg und München. Und immer häufiger aus dem Orient, die als Touristinnen nach Rothenburg kamen. 2001 wurde sie vom mittelfränkischen Einzelhandelsverband als »Unternehmerin des Jahres« gekürt.
Damit hätte sie eigentlich zufrieden sein können. Ist doch ein ganz schöner Erfolg, sagten alle. Aber Irene Sieber ist nicht die Frau, die sich mit Routine zufrieden gibt. »Ich hatte am Abend der Preisverleihung die Vision, in Dubai ein Geschäft zu eröffnen.« 2002 machte Irene Sieber den ganz großen Sprung und eröffnete tatsächlich ihre Boutique »Big
is Beautiful« in einer Einkaufsmall in Dubai. »Jede zweite Frau in Dubai war klein und dick, aber es gab keinen einzigen Laden für Big Sizes. Als ich den Zuschlag bekam, hatte ich nicht mal nach dem Preis gefragt. Die Miete war horrend und ein Jahr im Voraus zu zahlen. Aber mir war klar, wenn es sein muss, verkaufe ich Haus und Hof, da gehe ich hin.«
Sie hat die Ware aus ihren beiden Geschäften eingepackt, Schneiderinnen haben sich über Weihnachten die Finger wund genäht und am 1. Januar 2002 hat sie ihren Laden in Dubai eröffnet. Nach einer Modenschau im Ritz Carlton rannten ihr die Kundinnen die Türen ein, arabische Prinzen aus den Nachbar-Emiraten kauften Kleider für ihre Mütter. Für Prinzessinnen, die die Kleiderstangen auf einen Schlag leerkauften, wurde schon mal das Geschäft geschlossen.
Aus verschiedenen Gründen war der Laden trotzdem finanziell nicht der große Erfolg, es gab Ärger mit Verkäuferinnen, die Miete stieg ständig, Zusatzabgaben wie Strom und Security fraßen den Gewinn auf. Nach fünf Jahren machte Irene Sieber ihr Geschäft wieder dicht und kam wieder ganz zurück nach Rothenburg. Enttäuscht? Sie schüttelt den Kopf. »A dream came true«, sagt sie. »Ich habe mir meinen Traum erfüllt und es war eine wunderbare Zeit. Als Mollige habe ich mich noch nie im Leben so wohl gefühlt. Madame Irene wurde geliebt und verehrt, weil ich dick bin. Und weil ich das Selbstbewusstsein der dicken Frauen gestärkt habe.«
Jetzt führt sie wieder ein Geschäft für große Größen, »Bella Figura«, in der schönen mittelalterlichen Puppenstuben-Stadt und gibt dicken Frauen gerne Modetipps. »Persönlichkeit und Ausstrahlung werden nicht in Konfektionsgrößen gemessen«, davon ist sie überzeugt. »Dicke Frauen müssen aber noch mehr auf Qualität achten, lieber wenige
aber bessere Sachen sollten sie im Schrank haben. Manche Frauen sagen, mein Mann schaut mich eh nicht mehr an. Dann kaufen Sie es für sich, sage ich.«
Die Entwicklungshelferin in Sachen Mode, wie sie sich nennt, hat Frauen an Farben herangeführt - »schwarz macht depressiv«. »Damals sind dicke Frauen in den letzten Trümmern rumgelaufen. Aus der Zeit stammt auch noch das Vorurteil, dick gleich ungepflegt.« Heute sähen Frauen auch mit 40, 50 Jahren wesentlich jünger aus als vor 20 Jahren. Trotzdem gestehen ihr manchmal die Männer ihrer Kundinnen: »Ich liebe doch meine Frau, wie sie ist. Sie soll doch mal aufhören mit dem Diätscheiß, sie schikaniert damit die ganze Familie.«
Sie selbst hatte übrigens nie Probleme mit Männern, erzählt sie. »Ich hatte immer Supermänner, ausgefallene Klassemänner, Dicksein war nie ein Hindernis.« Nur einen hat sie in die Wüste geschickt, der hat gesagt: »Wenn du 20 Kilo weniger hättest, würde ich dich heiraten. Schleich dich, habe ich geantwortet. Aber das war der einzige.«
Irene Sieber hält immer noch nichts von Diäten. In ihrem Geschäft hängt ein Poster »Die allerschönsten Engel tragen nicht Größe 38!« Ihr Motto ist »Ich lebe jetzt! Ich lache gern, habe Power, mag Sahnetorte und bin glücklich beim Essen. Das ist Lebensfreude.«
»Think big« heißt ein amerikanischer Slogan, »Denke groß«. Trau dich was, glaub an dich. »Woher weiß ich, ob ich das kann«, werde ich manchmal von Frauen um die 40 gefragt, die »schon irgendwie Lust« hätten, noch einmal etwas anderes zu machen. »Wenn Sie es ausprobiert haben«, antworte ich gern. Die Zeit zwischen 35 und 45 ist eine tolle Zeit, um sich noch einmal auszuprobieren, etwas Neues anzufangen (oftmals sind die Kinder bereits aus dem Haus). Vielleicht sich selbstständig zu machen? Mit Plan B? (Mehr
dazu finden Sie in meinem Selbstständigmach-Ratgeber »Raus aus der Komfortzone«.)
Leichtigkeit entsteht, wenn wir Platz haben, um uns kräftig zu bewegen, wenn wir in Schwung kommen und Mut für neue Erfahrungen haben. Wenn wir uns sicher
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