Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
entgegnete ich sarkastisch. »Lassen wir es einfach sein, Marvin.« Langsam war mir zum Heulen zumute.
»Gib mir die Möglichkeit, es dir zu erklären, Auma. Wir müssen darüber reden. Ich will mit dir zusammen sein.«
»Daran glaube ich nicht mehr.«
»Ich will wirklich mit dir zusammen sein, Auma!«
Ich schwieg. Aber auflegen konnte ich auch nicht.
»Du brauchst Zeit zum Nachdenken, ich verstehe das. Ich rufe dich in einer Woche noch einmal an, okay?«
Ich legte auf, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
»Scheiße!«, entfuhr es mir. Normalerweise benutzte ich dieses Wort nie. Akinyi wäre schockiert gewesen, wenn sie mich gehört hätte. Und ich ertappte mich dabei, wie ich nach oben schaute, so als stünde sie am Treppengeländer. Ich drehte mich zu meiner Freundin um, die das Gespräch gespannt verfolgt hatte.
»Was nun Vicky? Soll die Quälerei wieder losgehen?«
Vicky kannte das ganze Marvin-Drama, und mit ihren siebenundsechzig Jahren stand sie mir oft mit Rat und Tat zur Seite.
»Liebst du ihn noch?«, fragte sie.
»Leider ja.« Die beiden Worte brachen regelrecht aus mir heraus.
»Dann hast du nichts zu verlieren.«
»Aber er hat mir doch mit seiner Unentschlossenheit so wehgetan.«
»Und trotzdem liebst du ihn noch.«
Ich schaute Vicky verwirrt an. So einfach konnte es doch nicht sein.
»Wenn du ihn jetzt gehen lässt«, sagte sie, »wirst du es vielleicht dein Leben lang bereuen. Wenn du ihm aber eine Chance gibst, wirst du entweder bekommen, was du willst, oder du wirst wenigstens wissen, was du nicht willst. So oder so gewinnst du.«
Ihre Logik wollte mir einfach nicht einleuchten.
»Ich glaube, ich muss noch darüber nachdenken.«
»Du hast ja eine Woche Zeit, nicht wahr?«
Im Juli 2007 siedelten Akinyi und ich nach Kenia um. Marvin sollte später folgen. Nach kurzem Hin und Her war er nach seinem damaligen Anruf zu mir nach England gekommen und hatte mich von seiner Liebe überzeugt. Ich war überglücklich – und Vicky dankbar, dass sie mich überredet hatte, ihn doch noch anzuhören. Nun planten wir, gemeinsam in Nairobi zu leben.
Das bedeutete große Veränderungen für uns alle, besonders für Akinyi, die sich immer nur für einige Wochen in meiner Heimat aufgehalten hatte. Auf eine neue Schule wechseln zu müssen, und das in einem ganz anderen Land, machte ihr Sorgen.
Ich freute mich, dass wir näher bei meiner Familie sein würden und meine Tochter endlich Gelegenheit haben würde, ausgiebiger Luo zu sprechen und vieles über ihr kenianisches Erbe zu erfahren.
Sofort, quasi ohne Verschnaufpause, trat ich meine Arbeit bei CARE an. Meine Koordinationstätigkeit brachte mich in Kontakt mit rund fünfunddreißig bestehenden ostafrikanischen Hilfsorganisationen, die sich um insgesamt mehrere tausend Kinder und Jugendliche kümmerten. Meine Aufgabe bestand darin, ihnen dabei zu helfen, durch die Förderung von Lehrgängen und Workshops ihre Kapazitäten auszubauen.
»Warum Sport?«, fragte mich mein Gegenüber. Ich war in Washington bei einer großen CARE -Spendenaktion, und meine Rolle war es, Helfern dieser Organisation, sogenannten Supporters , Argumente zu liefern, die sie wiederum im Kapitol Politikern nahelegen konnten, um ihnen unser Anliegen klarzumachen.
»Weil Sport besonders bei Kindern und Jugendlichen funktioniert«, erwiderte ich.
»Über Sport kann man junge Leute leichter erreichen.«
»Aber ist das für die Ärmsten der Armen nicht ein Luxus?«
»Nur wenn man den jungen Leuten nicht zugleich auch etwas anderes anbietet«, antwortete ich. »Allerdings sollten doch auch diese Kinder die Gelegenheit bekommen, einfach nur um des Spielens willen zu spielen, oder?«
Ich wusste natürlich, dass für diejenigen, um die wir uns bei unserem Programm kümmerten, Sport oft in der Tat ein Luxus war, den sie sich in der Regel nicht leisten konnten. Der Kampf ums nackte Überleben ließ im Grunde keinen Raum dafür, »nur zum Spaß« Sport zu treiben.
»Was haben die jungen Leute denn auch davon, wenn sie mit leerem Bauch spielen?«, meinte ein anderer aus der Gruppe der Supporters .
»Gerade darum geht es«, antwortete ich. »Wir müssen mehr anbieten. Denn wie gesagt, mit leerem Bauch können die Kinder und Jugendlichen keinen Sport treiben.«
Dann erklärte ich, dass die meisten Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten, sich ebenso um Aufklärungsarbeit bei Aids und anderen Krankheiten kümmern, wie auch um einkommensfördernde Tätigkeiten.
Damit die
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