Das Leben nach dem Happy End
traurig aussah und ich mich nicht traute zu fragen, ob ihn etwas betrübte oder er Schmerzen hatte.
»Halland«, flüsterte ich. »Zicklein!« Dieses Wort hatte ich noch nie in meinem Leben laut gesagt, was sollte das jetzt bloß? Halland, seine geglättete Haut, ein Indianerhäuptling war er, wie er so da lag, nur der Federschmuck fehlte. Ich drückte meine Lippen auf seine Stirn, ich wagte es kaum, doch ich tat es. Es war kein Kuss, sondern etwas, was ich tat, weil ich mich nicht traute, es sein zu lassen.
Funder bat mich in einen Raum, der eine Mischung aus Büro und Wartezimmer darstellte. »Wir werden Sie nach Hause fahren«, sagte er, »wir möchten Sie nur zuerst zu einigen Dingen befragen. Besaß Halland ein Handy?«
»Ja. Es ist blau.« Mich schauderte.
»Wissen Sie, wo es ist?«
»Vielleicht in seiner Hemdtasche?«, schlug ich vor. »Denn wenn es nicht in seiner Jacke oder Aktentasche war, dann weiß ich es auch nicht. Ich kann danach suchen …«
»Sie müssen Bescheid sagen, wenn Sie es finden, aber wir kommen sowieso zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal bei Ihnen vorbei. Und dann ist da noch das hier: seine Autoschlüssel und ein paar andere …« Er legte die Schlüssel vor mir auf den Tisch, die Autoschlüssel und seinen Schlüsselanhänger – ein kleiner Eiffelturm mit dem Haustürschlüssel – und einen dritten Schlüsselring, ein schlichter glänzender Ring, den ich nie zuvor gesehen hatte, ein Rukoschlüssel und einige normale Schlüssel hingen daran. »Wissen Sie, wozu die gehören?«
Ich deutete auf den dritten Bund: »Den hier kenne ich nicht. Wo lag der?«
»In seiner Hosentasche. Genau wie das hier.« Es war ein kleines Portemonnaie mit einer Klammer, die seinen Führerschein und seine Kreditkarte hielt. »Gehören die Schlüssel zu seinem Arbeitsplatz?«
»Er arbeitet von zu Hause aus.«
»Haben Sie irgendwo ein Ferienhaus oder eine Wohnung?«
Ich schüttelte den Kopf, denn ich wusste nichts über diese Schlüssel. Aber ich war auch schlichtweg müde, mir war alles so gleichgültig. Funder musste sowieso wieder zurück, also nahm er mich mit. Ich war kurz vorm Eindösen, doch er wollte mir mit gutem Rat zur Seite stehen. »Sie haben es schon in den Radionachrichten gebracht, und es werden bald Journalisten kommen, Sie müssen nicht mit ihnen reden.«
Das wäre mir im Traum nicht eingefallen, warum sollte ich? Er bat mich, dafür zu sorgen, nicht allein zu sein, und ich log freimütig und sagte, ich würde Inger bitten, zu mir zu kommen.
»Es sollte jemand sein, dessen Anwesenheit Sie ertragen können«, sagte er. Offenbar hatte er Inger bereits getroffen.
»Ich bin am liebsten allein, so bin ich es gewohnt. Halland reist so viel, und ich habe niemanden, den ich …«
»Aber er ist tot, er wurde ermordet, man fühlt sich unsicher, es ist ungewohnt, Sie wissen nicht, wie es Ihnen geht. Noch nicht.«
»Das wissen Sie aber genauso wenig! Ich möchte am liebsten allein sein. Eigentlich mag ich nicht besonders gern … Menschen.«
Ein Übertragungswagen hielt unten am Platz, als er mich absetzte. Ich beeilte mich, ins Haus zu kommen, ließ alles draußen und schloss die Tür ab, steuerte auf meinen Schreibtisch zu und öffnete den Computerdeckel.
Eine der 37 Mails hieß Mein geliebter Mann – darauf stießen meine Augen zuerst, doch als ich sie öffnete, konnte ich die Betreffzeile in voller Länge lesen: Mein geliebter Mann – Personencharakteristik . Natürlich ging es um meine eigene Erzählung. Gerade sitze ich an einer Analyse Ihrer Kurzgeschichte ›Mein geliebter Mann‹, die ich übrigens sehr gut geschrieben finde. Sicher sind Sie mit vielen anderen Dingen beschäftigt, aber ich wollte mich trotzdem erkundigen, ob Sie vielleicht Zeit hätten, mir ein paar Zeilen über die verschiedenen Personen zu schreiben .
Vielen Dank im Voraus .
Mit vielen anderen Dingen beschäftigt. Ich nahm mir die nächste vor, war denn gerade Abiturzeit oder wie?
Gerade habe ich Ihre Erzählung ›Der Fjord‹ gelesen, die ich für eine Arbeit verwenden will, bei der ich verschiedene Werke miteinander vergleichen soll. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, ob es möglich wäre, dass Sie sie mit Ihrer eigenen Sichtweise kommentieren; ein bisschen was darüber, was dahintersteckt, und wie Sie selbst die Erzählung beschreiben würden. Es ist eine Sache, sie als Außenstehender zu analysieren, etwas ganz anderes ist die Auffassung einer Schriftstellerin über die eigene Erzählung. Es
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