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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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nicht, dass sie Angst vor mir hatte, oder Angst davor, ihren Job zu verlieren. Wenn einer Angst hatte, dann ich.«
    »Wovor?«, fragte Bob.
    »Wovor?« Jim warf die Hand in die Luft. »Vor dem hier! Davor, dass ich Helen verliere! Aber ich dachte nicht, dass Adriana es auf eine Million Dollar abgesehen hatte. Ich dachte nicht, dass ich rausfliege.«
    »So viel hat sie gekriegt?«
    »Fünfhunderttausend. Sie fordern alle erst mal eine Million. Zahlen muss ich es natürlich. Aus meinem Firmenanteil.« Jims Arme hingen seitlich herunter, sein Brustkasten sah eingefallen aus. Egal, schien sein leichtes Kopfschütteln zu sagen. »Sie hat in deinem Haus in Brooklyn gewohnt. Die Kleine, mit der du solches Mitleid hattest.«
    »Ich weiß. Und den Tipp hatte sie auch noch von mir.«
    Jim winkte ab. »Sie wäre so oder so gekommen. Sie war auf Geld aus, sie hat sich bei sämtlichen Großkanzleien beworben. Tja, eine zähe Verhandlerin, wie man sieht. Fünfhunderttausend, immerhin.«
    »Und du hattest keine Angst um deinen Job? Darauf kamst du gar nicht? Wie kann das sein, Jim? Du als Anwalt!«
    »Bobby, du bist wirklich rührend. Im Ernst, nimm’s mir nicht übel. Du denkst wie ein Kind. Als müsste alles im Leben Hand und Fuß haben. So wie jeder sagt: Das war aber dumm von ihm, wenn ein Kongressabgeordneter auf dem Bahnhofsklo einen Stricher anbaggert. Klar. Klar war’s dumm.«
    Bob sah in den Kleiderschrank, fand einen Koffer und holte ihn heraus.
    Jim schien es nicht zu bemerken. Er sagte: »Manche von uns sehnen heimlich den Untergang herbei. Das glaube ich ganz im Ernst. Und soll ich dir was sagen? In der Sekunde, wo ich das von Zach und diesem Schweinekopf gehört hab – in der Sekunde wusste ich im Prinzip schon, dass ich geliefert bin. Your cheating heart will tell on you . Das Lied hab ich nicht mehr aus dem Kopf gekriegt. Verdammt, aber mein ganzes Leben – und erst recht, als die Sache mit Zach kam und die Kinder alle weg waren, mit dem leeren Haus und diesem sinnlosen Scheißjob in der Kanzlei – hab ich gedacht: Sie erwischen dich. Nur eine Frage der Zeit.« Seine Rede schien Jim erschöpft zu haben. Er schloss die Augen, bewegte müde die Hand. »Ich konnte es nicht länger durchhalten.«
    »Du musst hier raus, Jimmy.«
    »Du wiederholst dich. Und wo soll ich deiner Meinung nach hin?«
    Bobs Handy klingelte. »Susan«, sagte er. Er hörte zu. Dann sagte er: »Das ist ja phantastisch. Das ist wunderbar. Klar komm ich da. Doch, auf jeden Fall. Und ich bring Jim mit. Ich bin grade bei ihm in Wilson. Ihm geht’s beschissen, und er sieht zum Fürchten aus, mach dich auf was gefasst.« Er klappte das Telefon zu und sagte zu seinem Bruder: »Wir fahren nach Maine. Unser Neffe kommt nach Hause. Übermorgen. Er kommt mit dem Bus in Portland an, und wir holen ihn alle drei ab. Verstehst du? Die Familie.«
    Jim schüttelte den Kopf, rieb sich das Gesicht. »Wusstest du, dass Larry mich immer gehasst hat? Weil ich ihn im Sommerlager gelassen habe, obwohl er lieber heimgekommen wäre.«
    »Das ist doch ewig her, Jim. Er hasst dich nicht.«
    »Nichts ist ewig her.«
    »Wie heißt euer Chairman?«, fragte Bob.
    »Kein Chairman«, sagte Jim. »Chairwoman. Chairperson. Chair-leck-mich-doch.«

12
    Und so fuhren die Burgess-Brüder von Upstate New York Richtung Maine, über kurvenreiche Straßen, vorbei an heruntergekommenen Farmen und nicht so heruntergekommenen Farmen, kleinen Häusern und großen Häusern mit drei Autos oder auch einem Schneemobil oder einem mit Planen zugedeckten Boot davor. Sie tankten, fuhren weiter. Bob saß am Steuer, Jim neben ihm, auf seinem Sitz zusammengesackt, manchmal fest schlafend, ansonsten aus dem Beifahrerfenster starrend.
    »Denkst du an Helen?«, fragte Bob.
    »Immer.« Jim setzte sich gerader hin. »Und ich mag nicht drüber reden.« Einige Sekunden später fügte er hinzu: »Ich fass es nicht, dass ich mit dir nach Maine komme.«
    »Wie oft willst du das jetzt noch sagen? Alles besser als dieses Loch, in dem ich dich gefunden habe. Und in Bewegung sein ist immer gut.«
    »Wieso?«
    »Weil uns das an das Schwappen des Fruchtwassers erinnert. Oder so.«
    Jim sah wieder aus dem Fenster. Draußen glitten noch mehr Felder vorüber, Tankstellen, kleine Einkaufszentren, Antiquitätenläden. Jedes Haus, an dem sie vorbeifuhren, kam Bob einsam und trist vor, und als Jim sagte: »So ein Typ bei den Germanisten meinte, ich würde mich hier sicher wohlfühlen, weil Upstate New York wie Maine

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