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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Strout
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hierher, um unsere Stadt aufzumischen. Wenn jemand auf Rabatz aus ist, geht er nach Minneapolis, wo vierzigtausend von denen rumlaufen.« Gerry knöpfte sich das Hemd auf, das nach getrocknetem Schweiß roch. Er ging ins Badezimmer und stopfte es in den Wäschekorb.
    »Stimmt es, dass die Burgess-Brüder kommen?«, rief seine Frau ihm nach.
    Wieder im Schlafzimmer, ein Bein schon in der Pyjamahose, sagte Gerry: »Jep. Jimmy hält eine Rede. Soll mir recht sein, solange er sich nicht zu wichtig nimmt.«
    »Na, da bin ich ja mal gespannt«, seufzte seine Frau, griff zu ihrem Buch und lehnte sich zurück in die Kissen.

7
    Jim hatte seine Kanzlei in einem Gebäude in Midtown Manhattan. Bob musste an der Rezeption in der Eingangshalle seinen Führerschein abgeben und wartete geduldig, bis ein Besucherausweis für ihn angefertigt war. Es dauerte eine Weile, weil Jims Büro benachrichtigt und eine Erlaubnis eingeholt werden musste, bevor Bob weitergehen durfte. Vor einer Reihe von Drehkreuzen übergab Bob den Ausweis einem Uniformierten, der ihn vor ein Gitter hielt, bis ein rotes Blinklicht auf Grün sprang. Im vierzehnten Stock schoben sich die riesigen Scheiben einer Glaswand auseinander, nachdem ein junger Mann drinnen ohne ein Lächeln auf einen Knopf gedrückt hatte. Eine junge Frau erschien und eskortierte Bob zu Jims Büro.
    »Da kann einem der Spaß am Hereinschneien vergehen«, sagte Bob, nachdem ihn die junge Frau vor zwei Fotografien von Helen und den Kindern abgestellt hatte und verschwunden war.
    »Genau darum geht’s, Dödel.« Jim schob ein Papier zur Seite, in dem er gelesen hatte, und nahm die Brille ab. »Was spricht der Zahnarzt? Siehst ganz schön verschlabbert aus.«
    »Ich hab mir eine Extradosis Novokain geben lassen. Weil wir als Kinder nie welches kriegen durften, wahrscheinlich.« Bobs Rucksack brauchte so viel Platz, dass er auf der vordersten Kante von Jims Besuchersessel kauern musste. »Heute hat der Bohrer mich richtig durchgeschüttelt, und ich dachte, hoppla, ich bin ja erwachsen, und hab nachbestellt.«
    »Grandios.« Jim reckte den Hals, um die Krawatte zu justieren.
    »War es auch. Wenn man ich ist.«
    »Der ich, Gott sei’s gedankt, nicht bin. Okay, in zwei Wochen ist es so weit, planen wir die Sache. Ich hab zu tun.«
    »Susan will wissen, ob wir bei ihr wohnen.«
    Jim zog die Schreibtischschublade auf. »Ich schlafe nicht auf Sofas. Schon gar nicht auf hundehaarigen Sofas in einem Haus, in dem der Thermostat auf 14 Grad gestellt ist und oben drüber eine bekloppte Alte wohnt, die tagsüber im Nachthemd durchs Haus geistert. Aber mach du nur, was du willst. Bist ja zurzeit ganz dick mit Susan. Und ausreichend Schnaps hat sie sicher auch im Haus. Da fehlt’s dir an nichts.« Jim schob die Schublade wieder zu, griff nach dem Papier, in dem er gelesen hatte. Die Brille setzte er wieder auf.
    Bob sah sich im Raum um und sagte: »Ich weiß, dass du weißt, dass Sarkasmus die Waffe der Schwäche ist.«
    Jim ließ den Blick auf der Seite verweilen, bevor er ihn hob und seinen Bruder musterte. »Bobby Burgess«, sagte er langsam. Ein schmales Lächeln spielte um seinen Mund. »Der Meister des Tiefsinns.«
    Bob ließ den Rucksack von den Schultern gleiten. »Bist du schlimmer als sonst, oder warst du immer schon so ein Riesenarschloch? Im Ernst.« Er stand auf, um auf die schlanke, niedrige Couch längs der Wand von Jims Büro zu wechseln. »Du bist schlimmer. Ist es Helen schon aufgefallen? Vermutlich.«
    Jim legte den Kugelschreiber hin. Die Hände auf die Armlehnen gelegt, lehnte er sich zurück und schaute zum Fenster hinaus. Seine Züge hatten ihre Härte verloren. »Helen«, sagte er und seufzte. Er beugte sich wieder vor und stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch. »Helen hält mich für verrückt, weil ich da rauffahre. Mich einmische. Aber ich habe lange darüber nachgedacht, und es erscheint mir nicht ganz sinnlos.« Jim sah Bob an und sagte, plötzlich ernst: »Weißt du, die Leute da oben kennen mich noch irgendwie. Und mögen mich noch. Irgendwie. Mich hat seit Ewigkeiten nichts mehr nach Maine geführt. Und jetzt komme ich zurück. Und ich komme zurück, um zu sagen: Hey, Leute, in diesem Staat werden die Menschen immer älter und immer ärmer, und die Firmen wandern ab, wenn sie nicht längst weg sind. Die Dynamik einer Gesellschaft beruht auf Innovation, werde ich sagen, und was für eine große Leistung es für Shirley Falls war, dieser Innovation die Tür geöffnet

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